Donnerstag, 14. November 2013

Ge-Lassenheit im Alter



Ruth Maria Kubitschek: Anmutig älter werden.
München: Nymphenburger (Herbig) 2013, 4. Aufl., 160 S., 32 Abb.
--- ISBN 978-3-485-01423-6 ---

Sie gehört zu den prominenten und ausgesprochen beliebten Schauspielerinnen: Ruth Maria Kubitschek, Jahrgang 1931. Ihr Leben ist von Höhen und Tiefen gleichermaßen geprägt. Sie stammt aus dem heutigen Tschechien, musste 1945 fliehen, lebte in der DDR und verließ 1958 Ostberlin. Aber an dieser Schauspielerin fasziniert nicht nur das Talent und die Authentizität, mit der sie in ihren Rollen bewegt, es ist diese besondere Art von Tiefe und Reifwerden, die in den Gesprächen und Auftritten mit ihr zum Ausdruck kommt. Im Zusammenhang mit ihrer esoterischen Neigung hat sie gerade in ihren Büchern spiritueller Achtsamkeit und das Hören auf die Natur Sprache gegeben.
Neben Märchen, Bestsellerromanen, sind auch ihre gemalten Bilder mehr als die Darstellung einer Hobbykünstlerin. Und ihr „Garten der Aphrodite“ in Bodenseenähe zeugt von der kreativen mit der Natur verbundenen Umsetzung seelischer und „natürlicher“ Zusammenschau.

Und nun ein Buch zum Alter. Es beginnt mit einem wesentlichen Bekenntnis, von dem auch viele Mystiker sprechen: „Ich versuche, immer im Moment zu sein, da wo das Leben stattfindet. Es ist nicht vorher, es ist nicht nachher, sondern nur jetzt“ (S. 9). Und so sagt die Künstlerin, was ihr wesentlich ist und wie sie das Unwesentliche mehr und mehr loslässt. Alles ist jedoch leicht und flüssig geschrieben, auch diese Erfahrung: „Die Weisheit, die man sich mit jedem Jahr erwirbt, wiegt die Schmerzen, die man sich altersbedingt zugezogen hat, auf“ (S. 151). Es ist das Einüben in Gelassenheit, das sich im bewussten Älterwerden einstellt. Dazu gehört auch der Mut zum Neinsagen, aber nicht verbittert, sondern verbunden mit einem Humor, der nie auf der Strecke bleibt (S. 9). Hinzu kommen im Zusammenhang der interessanten Episoden ihres (prominenten) Künstlerlebens Reflexionen über den Sinn und das Ziel ihres Tuns sowie in allen Abschnitten praktische Anregungen und meditative Übungen für Körper, Geist und Seele.
Die Überschriften der einzelnen Kapitel geben eine Schrittfolge an, die keineswegs immer chronologisch, aber durchaus stringent ist: Die Chance erkennen und das Wichtige tun. Die Schauspielerin weiß um die Kräfte, die von innen kommen, aber geweckt werden müssen. Im Kapitel Kreativität erfahren die LeserInnen wie aus dem inneren – auch durch anfänglich große Unruhe geprägten – Rückzug heraus, ihre Märchen entstanden, in denen die Engel, Elfen und Erdgeister einen angemessenen Platz haben. Durchaus kritisch sieht sie ihre erfolgreiche Karriere, die zugleich auch eine große Leere mit sich brachte. Meditation wirkte dann als eine Art beruhigendes Heilmittel. Es versteht sich von selbst, dass es in einem solchen Leben keine Zufälle geben kann, aber dennoch die Verantwortung für das Leben in den eigenen Händen liegt (S. 38). So kommt jeder an den Ort, der für ihn bestimmt ist und kann dort Freunde finden (S. 41f).
Dass das Älterwerden zugleich eine neue Sicht auf Leben und Tod macht, spitzt sie in Überlegungen zu, die sie mit reinkarnatorischen Glaubenselementen verbindet: „Es gibt keinen Tod. Das Leben hat keinen Anfang und kein Ende. Das Ende jedes irdischen Lebens ist ein Übergang und eine Geburt in die geistige Welt. Die Inkarnation in diesem Leben ist nur eine Erfahrung, eine Stufe in unserem langen Sein“ (S. 45). Auch wenn man dem Gedanken der Wiedergeburt, besonders in seinen indischen Ausrichtungen nicht folgen möchte, gewinnt gerade durch diese Lebensinterpretation Jesus eine ganz neue Bedeutung für sie (S. 49ff). So hat die Schauspielerin gelernt Heimat und Besitz loszulassen, immer wieder neu aufzubrechen, Schmerzen zu akzeptieren und (dennoch) dankbar jeden Tag zu leben.
Immer wieder zeigt sich in der keineswegs unkritischen Haltung der Künstlerin die Nähe zu asiatischer Spiritualität mit bewusst wahrgenommenen Yoga und Ayurveda-Behandlungen. Aber entscheidend ist für sie offensichtlich auch im Umfeld des Gurus Sai Baba, dass Menschen unterschiedlichster Religionen und Konfessionen hier schon eine Völkerverständigung im Tempel erleben (S. 97). Aber sie bleibt bei Sai Baba nicht stehen, sondern nähert sich dem Jainismus, dem Buddhismus und dem Sufismus an und entdeckt ihr Leben als einen langen „Pilgerweg, auf dem eine Begleitung gerade beim Älterwerden äußerst hilfreich wäre“ (S. 111). Es ist ein Weg innerer Heilung, der letztlich zum Ziel führt, der aber die Krankheit nicht ausschließt.
In diesem Zusammenhang spielt ihr Sich-Einlassen auf die Natur eine besondere Rolle. Sie lebt länger schon in der wunderschönen Bodenseeregion – und ihr großer Garten wird zum Refugium und Kraftort gleichermaßen. Die vielen Gäste, die diesen Garten mit seinen weiblichen Energien dann bald besuchten, wuchsen sich aber inzwischen auch zu einer Belastung aus, so dass es die offenen Sonntage der vergangen Jahren nicht mehr gibt. Aber die Landschaft des Untersees bleibt ihre Lebensquelle, aus der heraus sie ihre Zeit nutzt, weiterhin Filme dreht, Bilder malt und Romane schreibt und sich immer wieder klarmacht: „Die Jahre, die mir vielleicht bleiben, will ich dazu nutzen, mich weiter zu entwickeln, immer mehr Wünsche loszulassen und mich auf meine Heimkehr vorzubereiten. Ich sage nicht Tod. Obwohl mein Körper der lebendige Tempel Gottes ist, ist er vor allem der Tempel für meine unsterbliche Seele“ (S. 150). „Heimkehr“ wird zum Stichwort, von wo aus das Bisherige in seiner Vorläufigkeit „gelassen“ werden kann.
Ihr neuestes Buch zeigt sich als eine heiter durchsetzte Biografie der besonderen Art. Hier spiegelt sich ein Urvertrauen ins Leben (S. 63), aus dem Ruth Maria Kubitschek durch achtsamen Umgang Weisheit schöpft. Daraus lässt sich viel für die Leserinnen und Leser unabhängig von ihrem Alter lernen.
Reinhard Kirste

Von R.M. Kubitschek wurde in den Ein-Sichten bereits rezensiert – Sterne über der Wüste. Roman (2011)
Besprechung: hier



 Rz-Kubitschek-Alter, 11.11.13

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