Gül Solgun-Kaps (Hg.): Islam.
Didaktik für die Grundschule.
Berlin: Cornelsen 2014, 208 S.
--- ISBN 978-3-589-16395-3
Berlin: Cornelsen 2014, 208 S.
--- ISBN 978-3-589-16395-3
Ausführliche Beschreibung
Das
hier vorgestellte Buch soll angehenden und bereits praktizierenden
Lehrer/innen einen Einblick in die wichtigsten Themengebiete des
Islamunterrichts in der Grundschule geben. Es wirbt damit, praxisorientiert und
verständlich zu sein.
Inhaltlich
greift es unterschiedliche Punkte und Problemstellen des Islamischen
Religionsunterrichts auf, indem verschiedene Autoren und Autorinnen mit Hilfe
von Essays zu Wort kommen. Nach dem Vorwort wird im ersten Teil durch Martin Neumeyer, Michael Kiefer, Peter Graf und
Andreas Renz die Problematik aufgegriffen, die sich in Deutschland mit den
einzelnen Bundesländern stellt, wenn ein ordentlicher Islamischer
Religionsunterricht nach Art.7 III GG eingeführt werden soll. Hierbei stellt
sich unter anderem die Frage, wie der Islam und seine verschiedenen
Dachverbände mit den Grundgesetzen und der Demokratie vereinbar sind. Auch wird
ein kurzer Überblick über die Entwicklung des Islamischen Religionsunterrichts
in Deutschland gegeben und auf die Chancen des religiösen und interreligiösen
Lernens verwiesen (aaO S. 9-61). So „stehen diese Unterrichte für eine
konstruktive Brücke zwischen den unterschiedlichen religiösen oder ethischen
Orientierungen. Sie haben die Schüler zu befähigen, im Spannungsbogen zu den
fremden Anderen das eigene Selbst zu verwirklichen“ (S. 36).
Im zweiten Teil „Schule als Raum
gelebter Integration“ (S. 62) zeigen die Autoren/Autorinnen Rabeya Müller,
Stephan Leimgruber und Gül Solgun-Kaps auf, wie Islamischer Religionsunterricht
zu einem Ort gelebter Integration werden kann. Das Interreligiöse soll in der
eigenen Religion entdeckt werden, ohne dass dabei der Bezug zum Islam verloren
geht. Die Schüler(innen) sollen im Unterricht eine religiöse Identität aufbauen
können und mit anderen Kindern im Dialog stehen. Weiter wird darauf
eingegangen, was man überhaupt unter „interkulturellem und interreligiösem Lernen“ versteht und
welche didaktischen Möglichkeiten sich beim interreligiösen Lernen anbieten.
Außerdem wird der Unterschied zwischen einer Inter- und multireligiösen Feier
in der Schule deutlich gemacht und jeweils ein praktisches Beispiel für die
Anwendung im Unterricht gegeben (S. 36). Stephan Leimgruber schreibt unter
anderem dazu: „Mir scheint in dieser Frage religiöser Identität wichtig zu
sein, dass wir das Elementare einer Religion betonen, Ähnliches unterstreichen
und Differenzen achten lernen. Wichtiger als die Form des Gebetes ist es
beispielsweise, dass Muslime und Christen an den einen und selben Gott glauben
und dass für beide Abraham ein Vorbild des Glaubens ist.“ (S. 70).
Der dritte Teil vertieft den Praxisbezug
und gibt nützliche Tipps, Anregungen und
Beispiele für den Islamischen Unterricht. Hierbei greifen Miyesser Ildem,
Amin Rochdi, Gül Solgun-Kaps, Hamideh Mohagheghi, Harry Harun Behr und Yunus
Haque die wohl wichtigsten und schwierigsten Themengebiete im Islamischen
Unterricht auf:
- der Koran,
- der Prophet Muhammad,
- die Propheten im Koran,
- Gottesvorstellungen bei muslimischen Kindern.
Zuerst
wird auf die Thematik mit ihrem Hintergrund und die möglicherweise auftretenden
Schwierigkeiten im Unterricht verwiesen. Anschließend erfolgen Beispiele für
die Praxis und hilfreiche Übertragungen auf die Lebenssituation der Schüler/innen
(S. 93–163). So sagt Yunus Haque in Bezug auf die Gottesvorstellung bei
muslimischen Kindern: „Gott ist für Kinder religiös sehr bedeutungsvoll, gleich
welche Gedanken und Gefühle sie mit der Vorstellung von ihm verbinden“ (S.
159).
Der
vierte Teil „Lehrerpersönlichkeit und
ethische Bildung im islamischen Kontext“ (S. 164) zeigt unter anderem einen
Überblick über die Anforderungen und Erwartungen an den muslimischen
Religionslehrer bzw. die muslimische Religionslehrerin auf und macht deutlich,
wie wichtig dabei die ethische Ebene ist, um eine Lehrerpersönlichkeit
aufzubauen. Hierbei stützt sich die Autorin Fahimah Ulfat auf das Lehr-Lern-Modell
„Visible Learning“ (S. 164) von John Hattie (S. 164–185). Yasemin Harter
erklärt in diesem Kontext, dass es im Religionsunterricht nicht mehr einfach um
eine reine Wissensvermittlung geht, sondern die Kinder sollen ihre Kompetenzen
erweitern können und es gilt ihnen genug Raum für theologische Fragen lassen. In
diesem Essay werden die zu erwerbenden Kompetenzen im islamischen
Religionsunterricht vertieft dargestellt (S. 185–194). So lautet Yasemin
Harters Fazit nach Rainer Lersch: „Wer nichts weiß, ist nicht kompetent, aber
wer mit seinem Wissen nichts anfangen kann, auch nicht“ (S. 193).
Der
fünfte Teil „Ein Nachwort: Islam und
Frieden“ (S. 195) von Gül Solgun-Kaps beschäftigt sich zum Abschluss des
Buches mit den Vorurteilen, die sich unter anderem seit den Anschläge im September
2011 gegenüber dem Islam aufgebaut haben und gibt einen kurzen Einblick in das
wirkliche Bestreben der Muslime (vgl. S. 195–197), wie folgender Ausspruch
deutlich macht: „O Gott, Du bist der Friede. Von dir kommt der Friede. So grüße
uns, unser Herr, mit dem Frieden“ [ein Hadith nach Abu l-Husayn Muslim] (S.
195).
Bilanz
Positiv
ist an dem Buch zu vermerken, dass schon einmal das Cover ansprechend gestaltet
und das Inhaltsverzeichnis übersichtlich und informativ ist. Es enthält in
einem Überblick die zurzeit aktuellsten und wichtigsten Themengebiete rund um
den Islam und den Islamischen Religionsunterricht, so dass der Leser bzw. die
Leserin einen guten Einstieg in die Thematik erfährt. Vor allem das zweite und
dritte Kapitel mit den praxisorientierten Beispielen und Anregungen für den
Islamischen Religionsunterricht können sehr hilfreich bei der Planung einer
Unterrichtsstunde sein, die nicht nur islamkundlich, sondern
bekenntnisorientiert ausgerichtet ist. So wird nicht nur bloßes Wissen
vermittelt. Die Lehrer erhalten dadurch die Chance, einen modernen Islamischen
Religionsunterricht zu gestalten, in dem die Kinder eine religiöse Identität
aufbauen und ihre eigenen Erfahrungen mit in den Unterricht einbringen können.
Auch erhält der Lehrer/die Lehrerin ratsame Tipps, wie die Integration im
Klassenzimmer stattfinden und ein interreligiöser Dialog zwischen den Kindern
anderer Religionen möglich gemacht werden kann, ohne dabei den Bezug zum Islam
zu verlieren. Des Weiteren ist es spannend zu erfahren, was für eine wichtige
Rolle der Lehrperson im Unterricht und im Umgang mit Kindern zukommt. Man
erhält einen Einblick, welche Anforderungen an einen modernen muslimischen
Religionslehrer/eine muslimische Religionslehrerin gestellt werden. Sehr
praktisch ist, dass an und innerhalb der einzelnen Essays jeweils die
wichtigsten Informationen kurz und gebündelt stehen, so dass man sich das
Geschriebene besser merken kann und einem ein schnellerer Einstieg in das Thema
gelingt, auch wenn man das Buch ein paar Tage zur Seite gelegt hat. Schön sind
dabei die eingebauten Suren, die die Meinung des Autors/der Autorin untermalen.
Verbesserungswürdig
an dem Buch ist, dass viele Themen nur im Groben angerissen und nicht weiter
vertieft werden. Im ersten Kapitel wäre eine genauere Übersicht über die
unterschiedlichen Schulprojekte des Islamischen Religionsunterrichts in allen
Bundesländern sinnvoll. Dadurch würde noch deutlicher, wie weit Deutschland mit
der Einrichtung eines ordentlichen Islamischen Religionsunterrichts nach Art. 7
III GG gekommen ist und welche Probleme hier genau vorliegen. Dazu wäre eine
kurze Übersicht über die wichtigsten islamischen Dachverbände sinnvoll.
Außerdem ist das fünfte und letzte Kapitel zu kurz angerissen, stellt es doch
gerade in der heutigen Zeit ein zentrales Thema in Bezug auf den Islam dar. Das
Buch könnte mit einer intensiveren Beschreibung der wirklichen Absichten des
Islams (Frieden) noch mehr Barrieren gegenüber dieser Religion abbauen. Hier
liegt nämlich als eines der Hauptprobleme, warum der ordentliche Islamische
Religionsunterricht oft auch kritisch und mit Argwohn von außen betrachtet
wird.
Insgesamt
ist das Buch sehr empfehlenswert und bestimmt nicht nur an werdende und bereits
schon praktizierende Lehrer und Lehrerinnen gerichtet. Auch für Eltern und an
dem Thema Interessierte ist es bestens geeignet, um sich einen Überblick über
die aktuelle Situation des Islamischen Religionsunterrichts in Deutschland zu
verschaffen. Wichtig hierbei ist aber, dass das Buch erst einmal nur einen
Überblick und Anregungen geben möchte und nicht zur intensiven Vertiefung von
Thematiken dient. Es will wohl in erster Linie informieren und Tipps zur
Unterrichtsgestaltung geben und auf praxisbezogene Probleme hinweisen, was die
Darstellung zugleich authentisch und erfahrungsnah erscheinen lässt. Da es aus
vielen einzelnen Essays von unterschiedlichen Autoren und Autorinnen besteht,
findet der Leser/die Leserin mehrere Meinungen und Positionen wieder, die ein
umfassendes Bild über den Islam und die Didaktik an Grundschulen geben. So kann
man sich das für sich Nützliche aus den Texten herausfiltern und die eigenen
Sichtweisen anhand des Buches überprüfen und erneuern. Einige Methoden für den
Unterricht sind aber wohl auch auf andere Schulformen anwendbar.
Aufgrund
des umfassenden Überblicks über den Islam und die Lehrerrolle ist das Buch letztlich
nicht nur für Grundschullehrer/innen sinnvoll, sondern auch Lehrern und
Lehrerinnen anderer Schultypen zu empfehlen.
Ann-Christin Bultmann
TU Dortmund, WiSe 2014/15, 24.11.2014
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