Samstag, 6. Dezember 2014

Abraham bei Juden, Christen und Muslimen



Martin Bauschke: Der Freund Gottes. Abraham im Islam.
Darmstadt: WBG 2014, 200 S., Register der zitierten Koranstellen, Übersichts- und Vergleichstabellen ---  ISBN 978-3-534-26416-2
Kurzrezension: hier 

Ausführliche Beschreibung
Der Theologe und Religionswissenschaftler Martin Bauschke ist seit langem mit der „Stiftung Weltethos“ verbunden und leitet seit 1999 deren Berliner Büro. Seine bisherigen Veröffentlichungen zeigen, dass ihm die Begegnung von Juden, Christen und Muslimen besonders am Herzen liegt. So rückt er die „trialogischen“ Schwerpunkte immer wieder ins Licht, wie z.B. im Buch

Der Sohn Marias. Jesus im Koran
(Köln: Böhlau 2001).  Ähnliches gilt auch für die Darstellung: Die Goldene Regel. Staunen, Verstehen, Handeln (Berlin: EB-Verlag 2010).

Das vorliegende Buch ist eine Neubearbeitung von:
Der Spiegel des Propheten. Abraham im Koran und im Islam.
(Frankfurt/M.: Lembeck 2008). 
Der Autor hat es nicht nur erweitert sondern auch die Strukturierung noch deutlicher vorgenommen. Außerdem hat er die seit der 1. Auflage erschienene neue Literatur berücksichtigt. Insgesamt wirkt das Buch etwas Dialog zurückhaltender als der vorhergehende Band.
Zur Wirkungsgeschichte Abrahams
in den drei monotheistischen Religionen
Der Autor will zuerst mit seiner Beschreibung durch die islamische „Lesebrille“ zu schauen. Denn Muslime sehen „natürlich“ Abraham im „Spiegel“ des Propheten Mohammed. Es ist eine Sichtweise des Glaubens. Ähnliches haben Juden und Christen ja auch mit „ihrem“ Abraham getan. Historisch bleibt Abraham ja im besten Sinne frag-würdig. Die Geschichten über ihn sind Gestaltungen von Glaubenserfahrung im Sinne einer „Identifikationsgestalt par excellence“ (S. 109ff). So geraten aus den drei monotheistischen Perspektiven die verschiedenen Abrahambilder in einen Dialog, der allerdings auch mit Widersprüchen fertig werden muss.
Die islamisch-koranische Typik des Abraham im Kapitel A wird achtfach aufgefächert, und zwar so: der gastfreundliche Abraham und die islamische Aufwertung der Sara (1), die Auseinandersetzung mit dem Polytheismus – Abraham und sein Vater (2), Abraham, der kosmische Weise (3), Abraham das idealisierte Vorbild (im Unterschied zur biblischen Tradition) [4], der (bessere?) Abrahamssohn in der Spannung zwischen Isaak und Ismael (5), Abraham, der bereits einen Vorgeschmack auf die Auferstehung erhält (6), dann: Ismael als Abrahams Erstgeborener erhält eine stärkere Gewichtung (7). Die Religions-Erben Abrahams werden auf eine Ebene gehoben im Sinne dreier gleich-wertiger Heilswege (8).
Das Kapitel B hebt dann die Besonderheiten des islamischen Abraham hervor: Gegenüber der Ausgabe von 2008 fällt auf, dass Bauschke die „Wanderungsbewegungen“ Abrahams von Urfa nach Hebron und die Lokalisierung Abrahams in der arabischen Wüste im Zusammenhang mit Hagar und Ismael in Mekka etwas zurücknimmt, um die quasi durchgehenden Konflikte mit Nimrod und die“ ruhelose Ruhestätte“ Abrahams in Hebron stärker zu thematisieren (S. 128–140).
Im Kapitel C – das sind die beiden letzten Abschnitte – steht das Gastfreundschaft-Thema noch einmal im Mittelpunkt, und zwar mit der daraus abzuleitenden Intention, die Risse zu heilen, die es zwischen den Abrahamsreligionen gibt. Bauschke hatte mehrfach aufgezeigt, wie die Abgrenzungstendenzen in den jeweils eigenen Religionen den anderen faktisch herabsetzen und darum nicht dem Frieden dienen. Glaubensmäßiges Besserwissen schadet dem Dialog, weil auf diese Weise Abraham vereinnahmt wird, statt ihn als Wegweiser zum besseren gegenseitigen Verständnis anzusehen.
Der religionswissenschaftliche Zugang
Aber der Autor hat neben dem annähernden Verstehen an die islamische Glaubenstradition auch ein religionswissenschaftliches Interesse, das besonders in den beigefügten Exkursen zur Sprache kommt. Das zeigt z.B. die Einbeziehung des kosmologischen Horizonts bei den Gottesverständnissen in der Spätantike (S. 40ff). Aber auch die Tempelreinigungen verweisen auf eine narrative Struktur, die sich durch alle drei Traditionen zieht, und zwar von der Renovierung des Tempels durch König Josia, der Reinigung des Tempels durch Judas Makkabäus, der Tempelreinigung Jesu und der Entfernung der drei Göttinnen durch Mohammed aus der Kaaba (S. 115ff). Theologisch zugespitzter wirkt sich diese Betrachtungsweise bei Lot aus, der im Koran wesentlich positiver gesehen wird als in der Bibel. Noch stärker wirkt die Einschätzung des Mythos vom Sohnesopfer (S. 81–92): eine eher blutige Wirkungsgeschichte von Tieropfern, die bis zu dem Schlachtritual während des islamischen Opferfestes reicht (S. 90).
Die dialogisch anfragende Intention
In der Neufassung des Buches hebt m.E. Bauscke noch stärker Abraham im gegenwärtigen „trialogischen“ Kontext hervor. Dieser ist gerade im Blick auf den Nahen Osten von Konflikten beladen. Taugt Abraham überhaupt zum versöhnenden Dialog von Juden, Christen und Muslimen? Bauschke ist skeptisch, weil er die Ambivalenz alles Religiösen sieht: „Der Erzvater ist immer das, was seine Erben jeweils aus ihm machen, was sie in seine Gestalt projizieren“ (S. 167). Letztlich hängt die Glaubwürdigkeit des jeweiligen Abrahambildes der drei Religionen daran, wie sie sich (zueinander) verhalten, denn „Abraham ist immer anders“ (S. 176). So bleibt angesichts der gegenwärtigen Konflikte im Lande Abrahams nichts anderes übrig, als auch die Schatten der Vorbilder nicht zu verschweigen und positiv für die Gegenwart daraus zu lernen.
Die Gastfreundschaft Abrahams als des Gottesfreundes wirkt darum als Einladung zu gegenwärtiger Aktualisierung. Es gilt, den Dialog ganz praktisch in der kommunikativen Begegnung mit den Nachbarreligionen zu leben. Unter diesen Gesichtspunkten lohnt es sich, das Buch des Autors aufmerksam zu lesen. Angesichts der vielen und sicher oft unbekannten Abrahamsgeschichten dürfte sich hier zugleich eine attraktive Quelle für Unterrichtende in Schule, Erwachsenenbildung und Hochschule auftun.
Reinhard Kirste
Rz-Bauschke/Abraham, 06.12.14 

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