Steven Dillon: The Case for Polytheism
Winchester (UK) / Washington (USA):
iff Books 2015 (John Hunt Publishing) 2015, IX, 86 S.
--- ISBN: 978 1 78279 735 7 ---
Winchester (UK) / Washington (USA):
iff Books 2015 (John Hunt Publishing) 2015, IX, 86 S.
--- ISBN: 978 1 78279 735 7 ---
Ausführliche Beschreibung
Steven
Dillon, der eine Zeit lang sogar in einem Römisch-katholischen Seminar
überwiegend Philosophie studierte, schreibt seit mehreren Jahren philosophische
Essays. Er arbeitet als Krankenpfleger in einem Altersheim in South Dakota.
Mehr zum Autor: hier - http://www.strangenotions.com/author/steven-dillon/
Mehr zum Autor: hier - http://www.strangenotions.com/author/steven-dillon/
Im
vorliegenden Buch versucht er, den entscheidenden Sinn- und Lebensfragen
dadurch nachzugehen, dass er sich mit monotheistischen und polytheistischen
Gottesverständnissen auseinandersetzt. Nicht zufällig
beginnt er darum mit einem Zitat Friedrich Schillers aus “Die Götter Griechenlands
(aus der 2. veränderten Fassung von 1793):
Müßig kehrten zu dem Dichterlande Heim die
Götter, unnütz einer Welt,
Die, entwachsen ihrem Gängelbande, Sich durch eignes Schweben hält.
Ja, sie kehrten heim, und alles Schöne, Alles Hohe nahmen sie mit fort,
Alle Farben, alle Lebenstöne, Und uns blieb nur das entseelte Wort.
Aus der Zeitfluth weggerissen, schweben Sie gerettet auf des Pindus Höhn;
Was unsterblich im Gesang soll leben, Muß im Leben untergehn.
Die, entwachsen ihrem Gängelbande, Sich durch eignes Schweben hält.
Ja, sie kehrten heim, und alles Schöne, Alles Hohe nahmen sie mit fort,
Alle Farben, alle Lebenstöne, Und uns blieb nur das entseelte Wort.
Aus der Zeitfluth weggerissen, schweben Sie gerettet auf des Pindus Höhn;
Was unsterblich im Gesang soll leben, Muß im Leben untergehn.
Damit signalisiert er bereits die Fragerichtung seines Buches: Was
hat es zu bedeuten, dass die Götter untergangen sind? Ähnlich wie Schiller
spürt er Trauer und will sich nicht damit abfinden, dass „der Polytheismus des
alten Heidentums“ mit seiner Fülle von Geheimnis und Abenteuer verschwunden
sein soll. Und so versucht er eine Art natürlicher Theologie zu entwickeln, die
er aus den monotheistischen Beurteilungsmustern herausholen will. Allerdings
ist dabei eine gewisse Vorsicht nötig, wenn man beschreiben will, was eine
Gottheit ausmacht. Eine Gottheit muss ein von einem Körper unabhängiges
Bewusstsein haben. Es muss wesentlich mächtiger sein, als das, woraus sich für
den Menschen Sinn entwickeln kann. Und eine Gottheit hat eine beachtenswerte
Größe, was immer das im Detail auch heißen mag. Mit dieser Erkenntnisstruktur
hat er ein Instrumentarium aufgebaut, das keinen monotheistischen Gott braucht.
So bekennt er dann auch, dass er im Grunde ein „Heide“ sei, der nicht den
Glauben der großen Religionen diskreditieren, sondern philosophisch die
Möglichkeit der vielen Götter als Denkmuster für die eigene Lebensorientierung verdeutlichen
will.
Im 1. Kapitel: What is a
God? nähert er sich der Antwort mit einer relativ einfachen
Differenzierung, die er gewissermaßen ontologisch formuliert, m.a.W. er geht
nicht von der Möglichkeit aus, Gott generell in unmittelbarer Beziehung des
Menschen zu denken und entsprechend zu formulieren. Redet man von einem Gott, dann existieren keine
anderen Götter. Dies ist nach Dillons Verständnis die theistische Position, in ihrer
monotheistischen Zuspitzung bedeutet dies die klare Ablehnung anderer Götter.
Atheismus wäre dann die Negation von Gott und Göttern überhaupt. Der Polytheismus
dagegen umfasst immer mehrere Götter. Hier muss man natürlich fragen, ob
religionswissenschaftlich diese Unterscheidung wirklich trägt, gibt es doch
auch Entwicklungen im Gottesbild, die vom „Polytheismus“ über den Henotheismus bis
zum exklusiven Monotheismus führen.
Dillon versucht diese zu erwartende Schwierigkeit dadurch
abzufangen, dass er im 2. Kapitel
fragt: Is there a God? Die Antwort
ist für ihn ein klares „Ja“, weil besondere Erfahrungen, die Menschen machen,
durchaus im Sinne einer Gotteserfahrung gedeutet werden können. Dazu strukturiert
er die Positionen von Theismus, Atheismus und Polytheismus und geht der „Logik“
theistischer Argumente nach (S. 16):
Die Existenz des Universums ist 1. entweder in sich notwendig oder
von außen verursacht. - 2.
Gibt es eine externe Ursache für das Universum, dann existiert
zumindest ein Gott. - 3. Wenn die Existenz des Universums nicht auf dem Grund der eigenen
Natur beruht, dann braucht es - 4.
eine externe Ursache. Von daher muss man annehmen, dass wenigstens - 5. ein Gott existiert.
Dem Autor ist es angenehm, dass diese logischen, ontologischen
Ableitungen kein theistischer Gottesbeweis sein können und versucht nun im 3. Kapitel einen polytheistischen
Zugang, indem er fragt: How many Gods
are there? Eigentlich kann man ihre Zahl nicht festlegen. Aber gegenüber
Monotheismus hat der Polytheismus einfach flexiblere Möglichkeiten und beruht
auf der Erfahrung von Menschen: Der Monotheismus nimmt nicht wahr (in des
Wortes originaler Bedeutung), dass Menschen ihren gesamten Lebensinhalt von Shiva,
Allah, oder von der keltischen Gottheit Cernunnos bis hin zu Jesus von Nazareth
empfangen haben. Sie alle sind umgeben von Legionen von Engeln. Wäre nur ein
Gott da, dann wären solche Erfahrungen unzuverlässig und anzweifelbar. (S. 40). Nun scheinen religiöse Erfahrungen oft religiösen Glaubenssätzen
zu widersprechen, aber es ist kein Widerspruch per se von der Koexistenz mehrerer Götter also z.B. Jahwe und Allah
auszugehen (S. 45).
Im 4. Kapitel versucht
Dillon nun seine Thesen abzusichern, und zwar durch die Frage Are the Gods Good? Seine Antwort fällt
ambivalent aus. Er versucht mit dem aristotelischen Begriff der Wahrheit – „Aletheia“
– das Thema anzugehen: Das
bedeutet zum einen im logischen Sinne, dass Seiendes sei und das Nichtseiendes
nicht sei. Dem Seienden kommt nun Wahrheit im Sinne der Erkennbarkeit zu. Da
nun aber Essenz von Existenz unterschieden ist, erschafft die Wahrheit als
„goodness“ (Gut-Sein) ein Handeln als in sich erst einmal gut. Aber ein moralisch guter Charakter ist keine Gewähr, um Böses zu
verhüten. Also kann man nicht sagen, dass „a given deity“ eingreift oder Böses
verhindert (S. 61). Götter und Göttinnen umfassen das gesamte Spektrum des Daseins
von erotisch-sexuell bis zu tiefer Teilhabe und innerer Beziehung „It’s hard to
nail any of them down as ‘good’ or ‘bad’, but perhaps that shouldn’t surprise
us (S. 63).
So verwundert es nicht, dass viele unbeantwortete Fragen bleiben: Kapitel 5: Unanswered Questions. Sie
sind von der „Wahrheit des Gutseins“ geprägt, die erst im folgenden Prozess
ihrer Schöpfung auch Böses möglich macht, so dass Gutes und Böses dann nebeneinander
existieren. Dabei sind entsprechende auch negative Eigenschaften den
entsprechenden – nicht universal, sondern regional wirkenden – Göttern
zugeordnet.
Bilanz: Die
Problematik, die das gesamte Buch durchzieht, liegt in der Vermischung ontologischer
und metaphysischer Thesen mit phänomenologisch beschreibbaren und unterschiedlich
deutbaren Transzendenz-Erfahrungen – ohne auf religionsgeschichtliche
Entwicklungen einzugehen. Dabei favorisiert Dillon polytheistische
Deutekategorien. Auf diese Weise umgeht er die entscheidende Frage: Können die
vielen vom Autor geschätzten Götter nicht auch als Wesenseigenschaften eines Gottes gesehen werden können bzw.
eines Göttlichen oder einer letzten Realität (im Sinne von „the Real“ von John
Hick)? Darum erscheint es mir überhaupt nicht sinnvoll, den Polytheismus in den
Gegensatz zum Monotheismus zu stellen. Denn auch in den als klassisch geltenden
polytheistischen Religionen wie dem Hinduismus manifestiert sich quasi ein
„Urgott“ bzw. ein nicht-personales göttliches Prinzip z.B. („Brahman“ als
ewiger Urgrund im Unterschied zum Schöpfergott „Brahma“) und offenbart/manifestiert
sich in vielfältiger Gestalt. So wird dem Menschen eine Annäherung an die
Götter bzw. an eine umfassendere Wirklichkeit eröffnet. Von daher ist es im
Grunde eine Hilfskonstruktion, von Gott und den Göttern in personalen
Kategorien zu reden. Vielleicht wäre Schiller hier ein guter Wegbegleiter durch
das ganze Buch gewesen, wenn neben dem Anfangszitat aus „Die Götter
Griechenlands“ jenes beachtliche Epigramm leitend geworden wäre:
Mein
Glaube:
"Welche Religion ich bekenne?
Keine von allen, die du mir nennst!"
Und warum keine?
"Aus Religion"
"Welche Religion ich bekenne?
Keine von allen, die du mir nennst!"
Und warum keine?
"Aus Religion"
Epigramm 1797
Ich glaube nicht, dass Steven Dillon Schiller hier wirklich folgen
würde. Und so bleibt für den Rezensenten nach der Lektüre ein Unbehagen und
Unbefriedigtsein zurück. Dennoch regt sein „polytheistisches“ Plädoyer an,
dogmatische Festsetzungen und Spekulationen angesichts des Gottesgeheimnisses und
letzter Wirklichkeitserfahrung zu überprüfen und auch die Zuordnungen von
Theismus, Monotheismus, Polytheismus und Atheismus im besten Sinne frag-würdig
erscheinen zu lassen.
Reinhard
Kirste
Rz-Dillon-Polytheism, 26.02.15
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