Hussein Hamdan:
Der christlich-islamische Dialog
der Azhar-Universität.
der Azhar-Universität.
Schriftenreihe der Georges Anawati-Stiftung, Nr.
13.
Freiburg u.a.: Herder 2014, 345 S.
Freiburg u.a.: Herder 2014, 345 S.
Leicht überarbeitete Dissertation, Universität
Tübingen 2013/14
--- ISBN 978-3-451-33564-8 ---
--- ISBN 978-3-451-33564-8 ---
Ausführliche Besprechung
In den
aktuellen Debatten um die Dialogfähigkeit und die sachgemäße Auseinandersetzung
mit islamisch begründeter Gewalt kommt auch immer wieder die berühmte Al-Azhar-Universität
Kairo in den Blick. Auch wenn es im Islam keine übergeordnete Lehrautorität
gibt, so findet diese sunnitischen Einrichtung doch weltweit große Beachtung.
Die vorliegende Arbeit macht nun deshalb besonders neugierig, weil die Haltung
der Al-Azhar nicht nur auf andere Religionen, sondern auch im Zusammenhang des
christlich-islamischen Dialogs Wertmaßstäbe setzt. Noch konkreter wird die
Frage, welche Haltung die Al-Azhar selbst im christlich-islamischen Dialog
eingenommen hat und noch einnimmt.
Hussein Hamdan (geb. 1979), Tübinger Islam- und Religionswissenschaftler und im interreligiösen Dialog engagiert, geht in seiner Dissertation den Dialogbemühungen der Azhar seit den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts nach
und verfolgt die Debatten noch bis ins Jahr 2011. Nun scheint sich seine Bilanz
weiterhin zu bestätigen, die er nach seiner Beschreibung von 80 Jahren Dialog-Geschichte
der Azhar in vorsichtiger Hoffnung formuliert: „In den kommenden Jahren wird,
was das internationale Ansehen der Azhar betrifft, viel davon abhängen, welche
Rolle die Azhar im innerägyptischen Diskurs einnimmt … Die momentan zu
beobachtenden Ansätze einer stärkeren Selbstreflexion geben Anlass zur Hoffnung,
dass Al-Azhar auch künftig ein wichtiger islamischer Dialogpartner für die
anderen monotheistischen Religionen bleibt“ (S. 329).
Diesem Votum
geht eine sorgsame Untersuchung voraus. Sie beginnt mit historischen und
grundsätzlichen Erwägungen zur Beziehungsgeschichte von Christentum und Islam. Dann
nimmt der Autor das islamische Verständnis des Christentums aus Koran und Sunna
auf. So lässt sich die Haltung des Propheten Mohammed gegenüber Juden und
Christen genauer ableiten. Der Schwerpunkt liegt auf der Person Jesu. Auf
dieser Basis stellt Hamdan die Universitätszeitschrift der Azhar, die Magalla, dar
– mit ihren Beiträgen hinsichtlich des Christentums. Sie ist seine wesentliche
Quelle, ergänzt durch weitere Verlautbarungen der Azhar. Er sieht in der Typik
der Texte folgende Kategorien: Jesusbild, Religionsvergleiche, Toleranz im
Islam, Kommentierung historischer Ereignisse aus der Frühgeschichte des Islam,
Verhalten gegenüber Nichtmuslimen aufgrund der islamischen (Pflicht-)vorgaben
und schließlich Fatwas.
Im nächsten Abschnitt kommen die Gründung des World
Congress of Faiths (WCF) in London 1936 und eine Folgekonferenz in Paris 1939
zur Sprache. Die Analyse der herangezogenen Reden ergibt auf der einen Seite
eine gewisse Zurückhaltung der Azhar-Gelehrten. Sie hängt vermutlich auch damit
zusammen, dass die Universität immer wieder versuchte, die (vermeintlichen)
Fehleinschätzungen des Islam durch westliche Orientalisten zu korrigieren. Auf
der andern Seite, aber wird die Toleranz gegenüber anderen Glaubensweisen
betont. Der Autor hebt besonders die Debatte um die UNO-Menschenrechtserklärung
von 1948 hervor. Der 1960 erschienene Azhar-„Appell an die Menschheit“ zeigt
sich als eindeutige Würdigung dieser Erklärung, deren Tendenz sich schon im
Islam des 14. Jahrhunderts nachweisen lässt (S. 138f).
Ein Herausforderungs- und Belastungsthema ist
natürlich durchgehend das Verhältnis zu den Kopten. Hier spielen Äußerungen im
Blick auf die Konfliktherde der Welt, aber auch die gemeinsame Bekämpfung von
Atheismus und Kommunismus eine Rolle. Das betrifft Ägypten innenpolitisch, aber
natürlich auch internationale Zusammenhänge angesichts der Fronten von Ost und
West im Kalten Krieg. Hier kommt besonders der Vatikan ins Spiel, der ja durch
das 2. Vatikanische Konzil und besonders durch die Erklärung „Nostra Aetate“
bisher ungeahnte Möglichkeiten eröffnete.
Dennoch: Obwohl die Azhar in den 70er
Jahren Beziehungen zum Vatikan geknüpft hatte und sich an Konferenzen zum
interreligiösen Dialog beteiligte, war sie aber „nicht immer einverstanden mit
dem Ablauf und der Art und Weise, wie sich christliche Vertreter über den
Propheten Muhammad oder zum Islam im allgemeinen äußerten“ (S. 151). In diesem
Zusammenhang bedeutet das Dialogabkommens mit dem Vatikan und der Besuch von Johannes
Paul II. in Kairo einen beachtlichen Fortschritt. Die verhängnisvolle
Regensburger Vorlesung seines Nachfolgers, Papst Benedikt XVI. im September
2006 war darum ein herber Rückschlag, von dem sich das katholisch-islamische
Gespräch mit Al-Azhar bis heute nicht erholt hat. Als eine Einladung von 38
Islamgelehrten vom Oktober 2006 an die christlichen „Oberhäupter“ herausging
und ein Jahr später „A Common Word“ von 138 islamischen Persönlichkeiten, auch
vom Großmufti von Ägypten, unterzeichnet wurde, war die Al-Azhar nicht dabei.
Das hängt vielleicht damit zusammen, dass die Universität sich als Wortführerin
der islamischen Welt versteht und hier diese Rolle nicht spielen (konnte). Im
Jahr 2011 kam es schließlich zur Aussetzung der Dialogbeziehungen mit dem Vatikan.
Hintergrund war das Engagement des Papstes für die verfolgten Christen im Irak,
während nach Meinung der Azhar die vergleichbare Bedrohung von Christen in Palästina
vom Vatikan wegen Israel tabuisiert wurde. Sicher spielte zusätzlich auch die Benennung
von bestimmten Persönlichkeiten für die gemeinsame Dialogkommission in diese
Abkühlung der Beziehungen hinein.
Durch die
thematische und quellenmäßige Begrenzung der vorliegenden Arbeit konnten
natürlich nicht weitere Dialog-Aspekte berücksichtigt werden. Diese würden
vermutlich eine eigene Untersuchung erfordern. Es sei darum auf eine
Besonderheit in der Struktur des (leitenden) Großen Rats der Al-Azhar Universität
hingewiesen, der vermutlich, ihren universal-islamischen Anspruch verstärkte: Der
deutsch-iranische Islamwissenschaftler Abdoldjavad Falaturi war bewusst als
Schiit in dieses Gremium berufen worden. Falaturi bemühte sich intensiv, im
Rahmen der von ihm gegründeten Islamisch-Wissenschaftlichen Akademie Köln und
als Leiter des Orientalischen Instituts der Universität zu Köln, den
christlich-islamischen Dialog mit Al-Azhar auch in Deutschland voranzubringen. Es
wäre spannend, Einblicke in die Religionspolitik der Azhar zu erhalten. Das
konnte Hussein Hamdan nicht leisten, aber er hat dank der Quellenforschung und
-bearbeitung vor Ort wichtige und zugleich schwierige Gesichtspunkte des
christlich-islamischen Dialogs im Horizont der Al-Azhar verdienstvoll zur
Sprache gebracht.
Reinhard Kirste
Rz-Hamdan-Azhar, 14.03.15
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen