Geseko von Lüpke:
Altes Wissen für eine neue Zeit.
Gespräche mit Heilern und Schamanen des 21. Jahrhunderts.
München: Kösel 2008, 429 S., Literaturhinweise, Internetkontakte
München: Kösel 2008, 429 S., Literaturhinweise, Internetkontakte
ISBN-10: 346634526X ---- ISBN-13: 978-3466345267
Angesichts der weltweiten Krisensituationen
im Blick auf den Hunger, das Klima, die Finanzen und ständig aufflammender
Kriegsherde suchen viele Menschen nach alternativen Lösungen. So kommen Themen
und Tendenzen wieder zur Sprache, die lange Zeit eher in den Esoterikzirkeln
oder in der New Age-Bewegung beheimatet waren.
Darum ist es spannend, wenn ein Buch auf den
Markt kommt, das mit Ernsthaftigkeit und Empathie Menschen vorstellt, die in
einem weiten Sinne als Schamanen unserer Zeit angesehen können. Die mit
nachprüfbaren Beweisen sich rechtfertigende Wissenschaft hat mit solchen aus
vor-wissenschaftlichen und erfahrbaren Traditionen lebenden Menschen ihre
Schwierigkeiten, aber der Physiker Hans-Peter Dürr, Träger des alternativen
Nobelpreises, erinnert im Klappentext: „Wir brauchen schamanische Weisheit …,
um wieder in Verbindung zur eigentlichen lebendigen Wirklichkeit zu treten.
Ohne diese Rückbindung sind wir ohne Wurzeln und haben keine Zukunftschancen.“
Der Autor Geseko von
Lüpke, promovierter Politologe und Ethnologe ist in den vorliegenden Gesprächen
mit 17 Schamanen aus 16 Ländern der gesamten Welt mehr als seinen
journalistischen Neigungen nachgegangen, und zwar bei allen Interviews
letztlich unter der Leitfrage, wie wir die Welt verändern können, wenn wir das
Wissen derjenigen bewusst aufnehmen und aktualisieren, die sich als Grenzgänger
zwischen den „Bewusstseinswelten“ verstehen und daraus Kräfte des Veränderns
und Heilens schöpfen – für sich und andere. Ob der Schamanismus in diesem Sinne
als die Mutter aller Religionen anzusehen ist, bleibe allerdings dahin gestellt
(S. 23-25).
Die vorgestellten
Persönlichkeiten, viele Künstler, Ökologen und Heiler gleichzeitig, die teilweise
auch in Europa durch Vorträge und Seminare bekannt geworden sind, kommen aus
unterschiedlichen kulturellen und religiösen Traditionen und sind in ihren
Antworten keineswegs gleichförmig, oft durch Lebensbrüche geprägt, manchmal
auch nicht besonders tiefschürfend. Dennoch ist ein erstaunliches Kaleidoskop
alternativer Denkweisen herausgekommen. Bei der Vorstellung seiner
Gesprächspartner geht es von Lüpke darum, ein Kulturpotential sichtbar zu
machen, das nicht verschleudert werden darf. Es geht schließlich um den Kosmos
als Einheit, um ein erweitertes Naturverständnis, um die Kraft der Ahnen, des
Weiblichen und des spirituellen Begleitens. Was bisher eher außerhalb Europas
angedacht wurde, stellt von Lüpke auch an Beispielen Europas dar. Dabei
wechseln archaische und moderne Überlegungen einander ab. Welche Zukunft der
Schamanismus hat, versucht der Autor dann im Zusammenhang mit der „westlichen“
Wissenschaft, aber auch in den Wirklichkeitserfahrungen von Ekstase, Trance und
anderen Bewusstseinszuständen zu verdeutlichen.
Von Lüpke beginnt seine
Gesprächsaufzeichnungen zum schamanischen Weltbild durch den „Ältesten“:
Angaangaq Lyberth aus Grönland. Es folgt im Blick auf den Zusammenklang von
Tradition und modernem Denken Don Oscar Miro-Quesada, ein Inka-Nachfahre.
Dieser Zusammenklang führt im Blick auf die Natur zu veränderndem Handeln,
verdeutlicht durch Konkretionen des mongolischen Schamanen und deutsch
sprechenden Dichter Galsan Tschinag, dem nordamerikanischen Indianer-Ältesten
und Heiler Manitonquat sowie dem schamanischen Heilkräuter-Erfahrenen aus dem
peruanischen Amazonas-Gebiet Don Pedro Guerra Gonzales. Welche Kraft für die
Gegenwart und für das eigene beratende und heilende Tun aus der Ahnenverehrung
erwächst, machen der Südafrikaner Percy Konqobe, der Batak Morden Siragong aus
Indonesien, der Westafrikaner Malidoma Somé und unter besonderer
Berücksichtigung der weiblichen Kräfte die guatelmaltekische Maya-Priesterin
Doña Eufemia Cholac Chicol, die sibirische Schamanin Nadja Stepanova, die
koreanische Trance-Tanz-Schamanin Hi-ah Park und schließlich die
Maori-Neuseeländerin Wai Turoa-Morgan deutlich.
Während die bisher
angesprochenen Schamaninnen und Schamanen in ihre traditionale Kultur durchweg
(noch) stark eingebunden sind und gleichzeitig viele von ihnen sich auch als
Brückenbauer zur Moderne empfinden, wirkt das bei den europäischen SchamanInnen
unterschiedlich. Sicher nehmen alle Genannten teilweise vergessene Traditionen
wieder auf und bringen auch überzeugend wirkkräftige Beispiele ihres Tuns,
dennoch aber muten die Begründungen der „heiligen Clowns“ aus England, Dusty
Miller XIII. und Dusty Miller XIV. nicht nur in ihren Baum-Bezügen etwas weit
hergeholt an. Ähnliches gilt für die bekannte Heide Göttner-Abendroth, die
allerdings auch nicht als Schamanin, sondern als Kulturwissenschaftlerin
vorgestellt wird. Die Gleichsetzung von schamanisch und matriarchal muss
religionswissenschaftlich eigentlich nur als kühn bezeichnet werden. Anders dagegen
der Sámi-Schamane Ailo Gaup aus Norwegen, dem man die unmittelbare Nähe zu den samischen
Steinzeitwurzeln der angesprochenen Rituale unmittelbar glaubt. Gerade in der
Verbindung von schamanischen, über viele Jahrhunderte transportierten
Erfahrungen und der modernen Wissenschaft, besonders in Biologie, Medizin,
Meteorologie dürfte ein Erkenntnisfortschritt liegen, auf den gegen Ende des
Buches der Mexikaner José Lopéz Guído und der aus dem Südwesten stammende
US-Indianer Jospeh Standing Eagle verweisen.
Geseko von Lüpke legt mit
diesem „Gesprächswerk“ ein wichtiges Buch vor, weil meines Wissens noch nie so
lange und intensive Gespräche mit so vielen Schamanen in einem überschaubaren
Zeitraum von heute geführt wurden. Damit wird die Einordnung des Phänomens
Schamanismus nicht leichter, aber gerade die SchamanInnen bezeugen mit ihrem
Tun und ihren Ritualen die Verbindung von Mikrokosmos und Makrokosmus und damit
eine tief gegründete Einheit des Kosmos, auf die sie im Sinne heilsamer
Veränderung hinarbeiten. Auf Menschen dieser Kraft und Sensibilität – und
sicher manchmal auch befremdenden Art – sollte um des Himmels und der Erde
willen mehr gehört werden.
Dies bestätigt auch ein Spruch der Pueblo-Indianer:
Halte fest, was gut ist und sei es Handvoll Erde.
Halte fest an dem, was du glaubst und sei es ein Baum, der alleine dasteht.
Halte fest an dem, was du tun musst und sei es weit entfernt.
Halte fest am Leben, auch wenn es einfacher wäre, es loszulassen.
Halte fest an meiner Hand, auch wenn ich dich verlassen habe.
Halte fest an dem, was du glaubst und sei es ein Baum, der alleine dasteht.
Halte fest an dem, was du tun musst und sei es weit entfernt.
Halte fest am Leben, auch wenn es einfacher wäre, es loszulassen.
Halte fest an meiner Hand, auch wenn ich dich verlassen habe.
Reinhard Kirste
Rz-Lüpke, 14.02.09, bearb. 28.04.2015
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