Rita Burrichter /
Georg Langenhorst /
Klaus von Stosch (Hg.):
Georg Langenhorst /
Klaus von Stosch (Hg.):
Komparative Theologie: Herausforderung
für die Religionspädagogik.
für die Religionspädagogik.
Perspektiven
zukunftsfähigen interreligiösen Lernens.
Beiträge zur Komparativen Theologie, Band 20
Paderborn:
Schöningh 2015, 320 S., Personenregister.
--- ISBN:
978-3-506-78259-5 ---
Übersicht und Kurzkommentare zur gesamten Reihe:
Beiträge zur Komparativen Theologie
Band 1 (2010) bis 25 (2016)
Übersicht und Kurzkommentare zur gesamten Reihe:
Beiträge zur Komparativen Theologie
Band 1 (2010) bis 25 (2016)
Die multikulturelle Vielfalt und teilweise religiöse Beliebigkeit spiegelt
sich immer intensiver in den Schulen wieder. Die Erziehungswissenschaft hat
darauf schon seit den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts reagiert. Religionspädagogen
(evangelisch und katholisch) haben dazu ausführliche didaktische Konzepte
entwickelt. Im vorliegenden Band bekommt der Diskurs nun einen neuen
Schwerpunkt – nämlich wie die von Klaus von Stosch (Universität Paderborn) u.a.
entwickelte deutsche Variante der Komparativen Theologie sich
religionspädagogisch umsetzen lässt. Er eröffnet so eine notwendige Debatte um
das bisher noch wenig ausgeschöpfte Verhältnis zwischen dieser Art
hermeneutisch geprägter Theologie und interreligiös offener Religionspädagogik.
In der Einleitung postulieren die Herausgeber die innere Verbindung zwischen
Komparativer Theologie und Religionspädagogik: Religiös sein, heißt
unausweichlich interreligiös sein (S. 10).
Der
vorliegende Band 20 geht in vier Schritten religionspädagogischen Reaktionen unter
den Vorzeichen der Komparativen Theologie nach.
Im 1. Teil „Komparative Theologie und
Religionspädagogik“ befasst sich der Theologe Jan
Woppowa (Universität Paderborn) zuerst mit der Problematik und Krise des nach Konfessionen getrennten
Religionsunterrichts (RU) in der (deutschen) Schule, die er letztlich im
Sinne kooperativer Offenheit auch künftig für geeignet hält. Er grenzt sich von
Konzeptionen ab, die mehr und mehr und in den Bereich der Sachkunde gehen. So
befürwortet er die „Ausbildung religiöser Standpunktfähigkeit“ (S. 29) in
interreligiöser Offenheit – konfessorisch, aber nicht konfessionell: „... ohne
die Ermöglichung und Gestaltung konfessorischer Lernprozesse würde dem
schulischen Religionsunterricht seine zentrale Dimension verloren gehen,
nämlich zu verantwortlichem Denken und Verhalten im Hinblick auf Religion und
Glaube zu befähigen“ (S. 30).
Der Religionspädagoge Clauß Peter Sajak (Universität Münster)
hat theoretisch und praktisch das Projekt der Herbert Quandt-Stiftung begleitet
„Trialog der Kulturen“ und den damit zusammenhängenden Schulenwettbewerb
intensiv begleitet. In der Komparativen Theologie mit ihrer konsequenten
Hinwendung zur Konkretion sieht er eine sachgerechte Wegweisung, um von Gott zu
sprechen und zugleich Konvergenzen und Divergenzen für das Feld der
Religionspädagogik zu nutzen. Dies leistet dann eine „trialogische
Religionspädagogik im Kontext von Judentum, Christentum und Islam. Sie „sucht …
Menschen in ein konstruktives Gespräch über Lebenspraxen zu bringen, das zu
Verstehen, Respekt und Wertschätzung führen will“ (S. 45), natürlich auf dem
Hintergrund der eigenen gelebten Wahrheitssuche, aber ohne exklusiven Anspruch.
Manfred Riegger (Universität
Augsburg) verweist auf die Forschungspraxis der Ethnografie, die sich immer
„auf gelebte Praxis von Menschen im Feld“ bezieht (S. 61) und damit nicht in
hypothetische Interpretationen abdriftet (S. 63). Darum lohnt sich die
systematisierende Beobachtung von interreligiösen Begegnungen, z.B. in
Gebetsketten mit verschieden-religiösen Schülern (S. 64f) und im Singen von
christlichen Liedern durch Andersgläubige (hier: „Muslime“, S. 65f). So lassen
sich vergleichende Bildungsprozesse entwickeln. Dazu bietet die Komparative
Theologie Orientierungsmarken. Reinhold
Boschki (Universität Tübingen) hält es angesichts der Islam-Debatten für
wichtig, das Judentum gezielt in eine komparativ-theologisch inspirierte
Religionspädagogik einzubeziehen. Die Aussagen des 2. Vaticanums sind dafür
auch praktisch-theologisch richtungsweisend.
Eine mehr grundsätzliche Verhältnisbestimmung zur Komparativen
Theologie versucht Georg Langenhorst
(Universität Augsburg) aus religionspädagogischer Sicht. Die Perspektive ist
für ihn durchgängig interreligiös. Mit Bezug auf Johannes Lähnemann und Stefan Leimgruber
nimmt er zugleich die Impulse der Komparativen Theologie auf. Sie ermöglichen
ein Lernen, das zugleich komparativ (also vergleichend), sensibel und
interreligiös ist und nicht mit der westlichen Brille der Rationalität gelesen
werden soll. Man muss darum bei den Erwachsenen beginnen, um erst (!) aufgrund
der eigenen erworbenen „komparativen Kompetenz“(S. 110) solches Lernen auch für
Kinder und Jugendliche anzubahnen und Dialoge zu ermöglichen.
2. Teil:
Komparative Theologie als Perspektive für den Religionsunterricht
Stefan Altmeyer (Universität Bonn) und Monika Tautz (Universität Köln) zeigen
Wege der Praxisorientierung des Religionsunterrichts im Sinne der Ausbildung
religiöser Identität. Komparative Theologie bietet dafür die geeignete
Voraussetzung, weil sie religiöse Pluralität anerkennt. Das lässt sich
didaktisch umsetzen. Entscheidend sind die Perspektiven der Anerkennung,
systematische Möglichkeiten von Weltdeutung und Aufbau von Kriterien für
interreligiöse Urteilsbildung. Das Ziel ist religiöse Urteilskompetenz –
emotional, kognitiv, sozial (S. 129f). Strukturell muss dies zu einer interreligiösen
Weitung des konfessionellen Religionsunterrichts führen. Aber: Inwieweit soll
der Religionsunterricht über die Konfessionalität hinaus in gewisser Weise ein Bekenntnis
zur jeweiligen religiösen Tradition sein bzw. bleiben? Die Heterogenität und
Vielfalt von “Religion“ nötigt zu einer Auseinandersetzung, die eine eigene
„konsistente“ Überzeugung braucht (S. 139f). Die Mitherausgeberin Rita Burrichter (Universität Paderborn)
plädiert für die Einbringung einer konfessorischen Dimension bereits im Selbstverständnis
der Unterrichtenden (vgl. dazu die Beiträge von Jan Woppowa und Georg Langenhorst).
Das „Konfessionelle“ hat sich in der Schule teilweise zugunsten eines etwas
unscharf zu diagnostizierenden „Christlichen“ verändert. Um dieser „Unschärfe“
wieder mehr Deutlichkeit zu verleihen, sollte Komparative Theologie hier
Grundlagenarbeit leisten. Schließlich geht es bei „Identität“ und
„Verständigung“ um die Kinder und Jugendlichen als „Subjekte religiösen
Lernens“ (S. 156). Der Religionsunterricht kann von daher nur kooperativ sein –
am besten in einer (für die SchülerInnen) frei wählbaren Fächergruppe als
Wahlpflichtfach (S. 158).
Kathrin
Kürzinger und Elisabeth Naurath
(beide Universität Augsburg) plädieren für einen konfessionell-kooperativen
Religionsunterricht, abgesichert durch entsprechende (kirchliche)
Vereinbarungen und wissenschaftliche Begleitung. Komparative Theologie kann
dazu theoretische Fundierungen bieten. Das ist allerdings von einem durchgängig
interreligiösen Lernen ziemlich entfernt. Katja
Böhme (PH Heidelberg) geht hier vorsichtig weiter, indem sie die Tendenz
der „Kooperierenden Fächergruppe“ aus der Denkschrift der EKD von 1994 aufnimmt
und dazu einige auch praktisch-orientierte Empfehlungen gibt. Hier zeigt sich
ein Überschneidungsfeld von Komparativer Theologie und interreligiösem
Begegnungslernen.
Der 3. Teil stellt nun keine interreligiösen Zukunftsvisionen vor,
sondern beschränkt sich überwiegend auf Kooperationserfahrungen
und -möglichkeiten im Blick auf Christentum und Islam. Der emeritierte
Münchner Religionspädagoge Stefan
Leimgruber erinnert daran, dass die Komparative Theologie auch in die
Religionsunterrichtsdebatte einige Bewegung gebracht hat und kreative
interreligiöse Brückenschläge ermöglicht. So werden dadurch auch neue Profile
für den RU in der Darstellung der anderen Religionen („Hochreligionen“, S. 208)
bereitstellt. Das lässt sich für den Umgang mit dem Islam im christlichen RU
zeigen, während islamische Lehrmittel im Blick auf das Christentum weiterhin
bedenkliche Defizite aufweisen. Die positiven Erfahrungen im christlichen RU im
Vergleich zu den anderen Religionen beschreibt Werner Haußmann (Universität Erlangen-Nürnberg) am sog. Nürnberger
Modell. Hier hat die interreligiöse Kooperation alle rechtlichen Möglichkeiten
ausgeschöpft und tragfähige didaktische Modelle entwickelt. Spirituelle
Elemente (der jeweiligen religiösen Tradition) müssen hier notwendigerweise im
Rahmen religiöser Erziehung mit einbezogen werden.
Frank
van der Velden (inzwischen Kath. Erwachsenenbildung im Rheingau) zeigt
gegenseitiges Lernen von christlich-islamischen Lerngruppen in der Kollegstufe
der Deutschen Evangelischen Schule in Kairo. Im Sinne gegenseitiger Begegnung
von Schülern verschiedener religiöser Traditionen scheint hier tatsächlich ein
Stück weit interreligiöses Lernen realisiert zu sein. Die Kölner
Religionspädagogin Rabeya Müller geht
offensichtlich auch grundsätzlich über den Ansatz von Klaus von Stosch hinaus,
indem sie dessen komparative Ansätze im Sinne von umfassenden Kompetenz-Erwerb
im Blick auf eine islamische Religionspädagogik weiterführt. Dieses kann ein
Glaubensverstehen ermöglichen, das Absolutheitsansprüche durchgängig
relativiert. Soweit möchte Lothar Kuld
(PH Weingarten) nicht gehen. Unter Bezug auf Ingo Baldermann, Horst Klaus Berg,
Thomas Ruster und die Kindertheologie („Das Kind als Exeget“) genügt ihm, wenn
Christen den Koran und Muslime die Bibel in Respekt voreinander lesen und dabei
die unterschiedliche Auslegungsgeschichte berücksichtigen. Punktuelle Ähnlichkeits-Vergleiche
täuschen leicht über die Differenz von Christologie und koranischer Prophetie
hinweg (S. 261). Auch Tuba Isik (Universität
Paderborn) betreibt Bibel- und Korandidaktik komparativ/vergleichend so, dass ihr
der kooperativ-konfessionelle RU genügt. Dennoch ergeben sich selbst hier neue
Deutungshorizonte und gegenseitige Erkenntnis-Bereicherungen.
Klaus von
Stosch unterzieht sich nun im 4. Teil der Aufgabe, die im Buch dargebotene
theoretische und praktisch-didaktische
Vielfalt vergleichend und fundamentaltheologisch zu bündeln. Dem Vorbehalt,
dass komparativ theologische Einsichten lernpsychologisch selbst bei älteren
Schülern wenig zu erwarten sind, kann der Autor nicht zustimmen: „Jedenfalls
verheißt religiöse Identitätsbildung in einer pluralistischen Gesellschaft
wenig Stabilität, wenn sie erst durch gegenseitige Abschottung religiöser
Sonderwelten ermöglicht wird“ (S. 284).Damit wendet er sich im Grunde gegen
konfessionelle Lehrplanintentionen, die den Dialog erst nach der Beheimatung im
eigenen Glauben empfehlen. Wichtig ist ihm weiterhin die Verschränkung
kognitiver und emotionaler Lernebenen. Glaubensansprüche sind Teil des Ringens
um die endgültige Wahrheit. Gerade dies ermöglicht die Wertschätzung der anderen
Religion. Der Trialog der drei miteinander verwandten monotheistischen Traditionen
scheint dabei theologisch und didaktisch besonders hilfreich zu sein. Das
Lernen im Blick auf die anderen Religionen kann letztlich jedoch immer nur
exemplarisch und elementarisiert
geschehen. Von seiner Komparativen Theologie her befürwortet von Stosch weiterhin
einen konfessionell-kooperativen Religionsunterricht. Er hält dazu an einem
konfessionellen Grundmodell des RU fest, indem er es interreligiös weitet. Hier
lässt sich allerdings fragen, warum nicht generell in einem interreligiösen
Begegnungsmodell die Lernphasen über die Konfessionalität hinaus von vornherein für alle Schüler möglich sein
sollten.
Bilanz: Die sowohl theoretisch wie
praktisch ausgerichteten Beiträge sehen durchweg in der Komparativen Theologie
eine Orientierungschance für einen RU, der zumindest interreligiös offen sein
sollte. Dennoch befleißigen sich die meisten Autoren hier einer erstaunlichen
Zurückhaltung oder gar Abwehr, wenn es um ein Konzept eines echten interreligiösen
Unterrichts ohne konfessionelle Trennung der Schüler im RU geht, wie er z.B. in
Hamburg versucht wird (vgl. S. 175f). Natürlich ist in Deutschland die
kirchlich-staatliche Vertragskombination zum (konfessionellen) RU recht eng
„gegürtet. Das betrifft konsequent interreligiös-didaktische Konzepte der
Lehrerausbildung, die Umsetzung in die Lehrpläne und die Schulorganisation. Der
oft diffusen Religiosität der Schüler versucht man zwar religionspädagogisch offen
– aber doch durchweg im vorgegebenen Rahmen – gerecht zu werden, ohne den
Rahmen selbst zu hinterfragen! Die Komparative Theologie bietet zwar erhebliche
religionspädagogische „Weitungen“ im Blick auf einen konfessionellen bzw. auch
religionskundlichen RU. Von Stoschs Ansatz wird aber selbst bei den Praktikern
mehr als theologische Begründungsmöglichkeit für konfessionell-kooperative
Umsetzungen genutzt. Geht man bewusst von der Gleichwertigkeit (nicht
Gleichartigkeit) der Religionen aus, lohnen sich m.E. verstärkte Schritte hin
zu einer religionspluralistischen Verbindung von Theologie und
Religionspädagogik. An dieser Stelle müsste der Diskurs unbedingt weitergehen.
Ergänzend:
Pim Valkenberg (ed.): A Companion to Comparative Theology
Brill's Companions to Modern Theology, Band: 2
E-Book (PDF) - ISBN: 978-90-04-38839-0 --- Festeinband - ISBN: 978-90-04-38838-3
Leiden: Brill 2022, XVIII, 637 pp., index
Reinhard Kirste
Rz-Burrichter-interrel-Lernen, 14.01.16 , bearb.
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