Peter
Cirtek: Borobudur.
Entstehung eines Universums.
Englische Ausgabe:
Entstehung eines Universums.
Englische Ausgabe:
Borobudur. Appearance
of a Universe.
Wissenschaftliche Beratung
durch den Malaiologen
Prof. Dr. Peter W. Pink
(Universität Köln)
of a Universe.
Wissenschaftliche Beratung
durch den Malaiologen
Prof. Dr. Peter W. Pink
(Universität Köln)
Hamburg:
Monsun-Verlag 2016, jeweils 119 S., 80 Abb.,
3 Karten, 17 nummerierte
Grafiken, Glossar, Register
2. Aufl. 2019
2. Aufl. 2019
--- Deutsch - ISBN 978-3-940429-05-6
--- Englisch - ISBN 978-3-940429-06-
--- Englisch - ISBN 978-3-940429-06-
Flyer des Monsun-Verlags (2019), S. 2 |
Die
Tempelanlage von Borobudur auf der indonesischen Insel Java gehört zu den
beeindruckendsten Zeugnissen buddhistischer Kultur.
Sie entstand im 8./9.
Jahrhundert unter dem Einfluss der Architektur hinduistischer Tempel und Kultanlagen
mit großen Stupas aus dem südostasiatischen Raum. Indonesien – mit einer
Bevölkerung von über 220 Millionen Muslimen – betrachtet dies Monument mit
großer Wertschätzung. Der Tempel war lange in Vergessenheit geraten. Er wurde
erst 1814 wieder entdeckt. Eine groß angelegte Restaurierung von 1973–1984
machte die Bedeutung dieses riesigen Bauwerks auch international offenkundig.
Es ist seit 1991 UNESCO-Kulturerbe.
Was dieses
Monument so besonders macht, ist neben der faszinierenden Konstruktion ihr
symbolischer Gehalt. Hier wird das gesamte Universum dargestellt. Die Tempelanlage
spiegelt eine atemberaubende Kosmologie in Stein. In
dieser geformten buddhistischen Welt befinden sich Buddhastatuen in den Nischen
der Galerien auf vier unteren Terrassen – ein Arrangement in indischer Zahlensymbolik:
- Terrasse = 104 Nischen
- Terrasse = 104 Nischen
- Terrasse = 88 Nischen
- Terrasse = 72 Nischen
- Terrasse = 64 Nischen
–
also insgesamt 432 Statuen, von denen allerdings einige fehlen.
Auf den drei oberen, kreisförmigen Terrassen, befinden sich transzendente, meditierende Buddhas,
die sich in 72, scheinbar perforierten kleinen Stupas befinden. Auf diesen
oberen Rundterrassen nimmt die Zahl der Buddha-Statuen kontinuierlich ab: 32, 24, 16. Man muss also von insgesamt 504
Buddhastatuen ausgehen, von denen etwa 350 beschädigt sind oder völlig fehlen.
Allein diese durchdachte Konstruktion lässt ahnen, wie differenziert die
buddhistische Kosmologie hier architektonisch umgesetzt wurde.
Der (bisher
nicht sichtbare) Fundamentsockel bzw.
das Erdgeschoss stellt die Sphäre
der Begierden dar. Umschreitet der Pilger aufsteigend die vier Stockwerke
der Galerien, befindet er sich gewissermaßen in der Sphäre der (Wieder-)Verkörperungen bzw. Reinkarnationen der
Buddhanatur. Von dort geht der Weg Schritt für Schritt über die drei
Rundterrassen immer weiter in die Sphäre
der Körperlosigkeit hinein, bis schließlich der Pilger am Hauptstupa angelangt
ist. Der Stupa symbolisiert den Dharma, die buddhistische Lehre. Er ist das in Stein
gehauene Wesenszentrum buddhistischen (kosmischen) Seins- und
Weltverständnisses. Es wird durch die unterschiedlichen Buddhafiguren
gewissermaßen ins Bild gebracht.
Peter Cirtek
nimmt uns nun auf diese spirituelle Reise mit:
Im ersten Abschnitt beschreibt er
einige Gesichtspunkte der indischen Religionen bis zur Entstehung des
Buddhismus durch Siddharta Gautama, den Buddha. Von der frühen buddhistischen
Geschichte geht der Weg zu verschiedenen buddhistischen Schulen im
Himalaya-Gebiet. Den tibetischen Buddhismus, den sog. Diamantweg (neben Hinayana
und Mahayana) untersucht Cirtek später noch im Blick auf dessen Verbindungen zu
Japan und Java. In einem weiteren Abschnitt kommt der Autor auf die
Einwanderung des Buddhismus nach China zu sprechen. Durch die Verbindung mit
dem schon länger existierenden Daoismus und dessen Seins- und Transzendenzkonzept entwickelten sich eigenständige buddhistische Verständnis- und Meditationsweisen
(z.B. der Chan-Buddhismus, japanisch: Zen).
Der zweite Abschnitt beschreibt die Architektur von Borobudur mit der
wahrscheinlichen Entstehungsgeschichte
zwischen 775 und 856 und die darin zum Ausdruck kommende Symbolik der
Tempelanlage. Sie ist im Geist der Mahayana-Richtung entstanden. Vorbilder sind
javanesische Hindutempel, die indischen Einfluss verraten. Für die
Stupa-Struktur von Borobudur zieht der Autor Beispiele aus anderen asiatischen
Regionen heran (z.B. aus China, Tibet, Nepal, Burma und Thailand). Auf den
Balustraden der Galerien sitzen transzendente Buddhas. Sie zeigen die
Himmelsrichtungen mit dem kosmischen Zentrum an, weiterhin die
Wesenseigenschaften des Buddha und schließlich sein meditierendes, lehrendes
und schützendes Handeln. Auf diese Weise werden zugleich die Weltzeitalter strukturiert.
Modell von Borobudur auf der Floriade in Venlo (NL) 2012
|
Im
dritten Abschnitt erläutert der Autor die Geschichten
auf den 1460 Reliefs. Es sind Darstellungen des täglichen Lebens allgemein,
Stationen der Lebensgeschichte des historischen und legendarischen Buddha
(natürlich auch mit den berühmten vier Ausfahrten) und Heldentaten des Buddha
aus seinen früheren Leben. Der historische Buddha ist ja nur eine
Personifikation früherer und späterer transzendenter Buddhas.
Gegenüber den vergleichbaren Texten in Sanskrit oder Pali gibt es hier eine
Reihe von Abweichungen.
Hinzu kommen sog. Taten von himmlischen Helden -
aus dem sog. Divyavadana in Sanskrit (Ende 2. Jh. n. Chr.).
aus dem sog. Divyavadana in Sanskrit (Ende 2. Jh. n. Chr.).
Es gibt jedoch noch mehr
Narratives, und zwar von einigen Bodhisattvas auf den Relieftafeln. Sie
beinhalten einen großen Teil des Avatamsaka Sutra. Besonders ragt hier die Pilgerreise des Sudhana hervor, einem Kind, das den Weg
bis zur Erleuchtung geht.
In dieser Relief-Reihe zeigt sich
auch die Begegnung mit Samantabhadra. Er gilt als Personifikation der allumfassenden Güte
und Weisheit sowie Beschützer des Lotos-Sutra.
Bilanz:
Peter Cirtek ist offensichtlich
daran gelegen, seine Beschreibungen durch Bezug auf die Originalquellen immer
wieder abzusichern. Er berücksichtigt dabei die ältesten Belege im Pali-Kanon, bezieht sich jedoch
insgesamt stärker auf den Sanskrit-Kanon
und den chinesischen Kanon des
Mahayana. Seine Beschreibungen mit einer gezielten Auswahl von (Bild-)Beispielen
der Galerien und Terrassen mit ihren Skulpturen und Reliefs geben ein faszinierendes
Bild von der Vielschichtigkeit des buddhistischen Welt- und
Glaubensverständnisses. Gerade mehr meditativ Lesende und Betrachtende werden
an dem herausragenden Kult-Kunstwerk Borobudur entdecken können, dass hier ein besonderer
Annäherungsweg zum Heiligen eröffnet werden kann.
Reinhard Kirste
Neue Erkenntnisse:Die Flachreliefs am Tempel von Borobudur ermöglichen Musikern heute,
die Musik des 8. Jahrhunderts zu rekonstruieren und zu spielen.
Les bas-reliefs du temple de Borobudur
pour restituer la musique du VIIIe siècle
(Koran Tempo, Jakarta, 21.01.2020 - über Courrier International)
Musiker mit ihren Instrumenten, Tempel von Borobudur (wikipedia.en) |
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