Ernst Ulrich
von Weizsäcker / Daisaku Ikeda:
Was sind wir uns wert?
Was sind wir uns wert?
Gespräche
über Energie und Nachhaltigkeit
Aus dem Englischen übersetzt von Judith Elze und Katrin Harlaß
Freiburg
u.a.: Herder 2016, 184 S. ---- ISBN: 978-3-451-34964-5 ---
Ernst Ulrich von Weizsäcker
(geb. 1939) hat sich sowohl als Naturwissenschaftler wie als Politiker einen
Namen gemacht. Neben vielen Wissenschaftseinrichtungen, denen er vorstand bzw.
noch vorsteht, ist er seit 2012 auch Co-Präsident des Club of Rome.
Sein philosophischer Gesprächspartner in diesem Buch ist Daisaku Ikeda (geb.
1928), Präsident der buddhistischen Laienorganisation Soka Gakkai,
die ihren Ursprung in Japan hat. Er erhielt für sein Engagement im Blick auf
Menschenwürde und Menschenrechte 1983 den Friedenspreis der Vereinten Nationen.
Diese beiden weltweit
engagierten Persönlichkeiten haben acht ausführliche Gespräche über die
Weltverantwortung in ihren unterschiedlichen ökologischen, wirtschaftlichen und
friedenspolitischen Dimensionen geführt. Diese in manchem visionär wirkende
Gesprächsreihe erschien zuerst im japanischen Literaturmagazin Ushio zwischen Dezember 2011 und Mai
2014 und auch in der japanischen Ausgabe des
Journal of Oriental Studies.
Um es vorweg zu sagen: Die
Geschichte von Deutschland und Japan besonders im 20. Jahrhundert zeigt viele
Berührungspunkte – allerdings nicht nur angenehmer Art, was Kriege und
Katastrophen betrifft. Man denke nur an die faschistische „Achse“ Berlin Tokio
während im 2. Weltkrieg, die Entwicklung und den Abwurf der ersten Atombomben
über Hiroshima und Nagasaki sowie die Erdbeben und Reaktorunfälle in Japan bis
in die jüngste Gegenwart. Solche Erfahrungen nötigen über regionale und
nationale Sichtweisen hinauszukommen und die Welt als eine Welt für alle Menschen wahrzunehmen. Wie schon der Reformpädagoge
und Gründer von Soka Gakkai Makiguchi Tsunesaburo (1871 - 1944) einforderte, gehören
Erziehung und Bildung zu den Kernaufgaben für die Verbesserung der Weltzustände
im Sinne einer umfassenden Friedenspädagogik (vgl. S. 21).
Das erfordert nicht nur
international sorgfältige analytische Arbeit sondern auch eine ethische
Verantwortung, wie sie ebenso Hans Küng in seinem „Projekt Weltethos“ zum
Ausdruck gebracht hat.
Die beiden Autoren – gewissermaßen gleichzeitig Wissenschaftler,
Philosophen und Zukunftsforscher – diskutierten dieses weite Themenfeld in
mehreren „Anläufen“:
1. Im
Gespräch Hoffnung und Gesundung geht um die Erkenntnis und Konsequenzen
aus den Grenzen des Wachstums angesichts eines ethisch hemmungslosen
Kapitalismus.
2. Der
Abschnitt Eine Welt ohne Krieg bezieht sich erinnernd auf das
Anti-Atomwaffen-Manifest Göttinger Kernwaffenforscher 1957. Das Gespräch
bedenkt aber auch die Konsequenzen aus dem Fall der Berliner Mauer 1989, das
Ende des Kalten Krieges und japanische Abrüstungsinitiativen.
3. Beim dritten
Gesprächsthema Grünes Wachstum geht es um Energie und Klima, das
Weizsäcker unter den Titel Faktor Vier: Doppelter Wohlstand - halbierter Naturverbrauch anspricht und als Faktor Fünf zukunftsorientiert analysiert: Nachhaltiges Wachstum und Ressourcenschonung, besonders auch durch
Reformen von unten. Angesprochen wird dabei die Planung von DESERTEC, nämlich den
Energiebedarf Europas über Solarstrom aus der Sahara abzudecken.
4. Entscheidend
sind jedoch geänderte Verhaltensweisen: Genügsamkeit widerspricht
keineswegs einem erfüllten Leben. Einfach ist nicht ärmlich! Allerdings
ist es unumgänglich, ethische Verantwortung zu praktizieren, und zwar mit dem
Verzicht auf ungebremsten Konsum und ausbeuterisches Wachstum um einer gesunden
Umwelt willen.
5. In die
langfristige Perspektive haben sich seit langem schon verantwortliche
Gruppierungen eingeschaltet wie der Club of Rome, der 1972 schon die
„Grenzen des Wachstums“ einforderte. Daraus entwickelte sich die Orientierung
für ein „nachhaltiges Wachstum“.
6. Das immer
wieder durchklingende Thema ist ein notwendiges Umweltbewusstsein, das
sich global entwickeln muss. Es fängt oft mit kleinen Schritten an vielen Orten
an – gerade auch in den Schulen. Umwelterziehung ist darum das Gebot der Stunde
im Sinne eines neuen Zeitalters der Aufklärung. Ökonomie und Ökologie müssen in
eine umweltbewusste harmonische Balance gebracht werden.
7. Hier
schließt sich fast nahtlos das nächste Gespräch an: Soziale und ökologische
Gerechtigkeit, das im sog. TLC-Faktor gipfelt: Tender Loving Care
= liebevolle Fürsorge (S. 116f). Das bedeutet Rückkehr zum menschlichen Maß und
Beendigung des „Marktfundamentalismus“ (S. 122ff) hin zu toleranten und
versöhnlichen Gesellschaften und Staaten. Nur so können alle die Grundrechte des Lebens wahrnehmen: Ausreichende Nahrung
und sauberes Wasser, Arbeit und Wohnung. Bhutan mit seinem Indikator
„Bruttonationalglück“ tritt hier besonders in den Fokus. Hier kommen die im 3.
Gespräch schon erwähnten Faktoren Vier und Fünf ins Spiel.
8. Für unsere
nachhaltige Zukunft bedeutet dies die Klimaveränderungen nicht nur ernst
nehmen, sondern an sinnvollen Verbesserungen arbeiten. Dazu gehört als erstes
eine Haltung der Genügsamkeit, die die Gier nach Ressourcen ausbremst, Energien
sorgsam einsetzt und Ressourcen wiederverwertet, denn in dieser Welt ist für
alle genug da, allerdings nicht für jedermanns Gier (Gandhi, vgl. S. 161).
Zur Bedeutung von Religion
Noch stärker
als Weizsäcker bezieht sich Ikeda immer wieder auf die religiöse Motivation
seines Handelns. Das wird z.B. mit einem Buddha-Zitat deutlich, in dem
Mitgefühl und Umweltbewusstsein zusammenklingen (S. 95). Der Gedanke des
Philosophen Nichiren Daishonin (1222–1282)
zu umfassender Gerechtigkeit gewinnt erstaunliche Aktualität: „Die lebenden
Wesen und ihre Umgebung sind nicht zwei Dinge, und ein Mensch und das Land, das
er bewohnt, sind nicht zwei Dinge“ (S. 117).
Zum Schluss fasst der japanische
Philosoph darum die Hoffnung auf eine glückvolle und friedliche Welt so
zusammen: „Ich bin überzeugt, dass es zu den Kernaufgaben und -verantwortlichkeiten
von Religion gehört, Perspektiven anzubieten, die uns in den Herausforderungen
des Zeitenwandels eine verlässliche Richtschnur und feste Stütze sein können“
(S. 162). Diese Aufforderung, die Frieden stiftenden Kräfte der Religionen
intensiver in politische Zusammenhänge einzubringen, müsste im Blick für die
Zukunft noch viel deutlicher werden.
Reinhard Kirste
Vgl. das in mancher
Hinsicht thematisch verwandte Buch:
·
Michael Gorbatschow / Daisaku Ikeda: Triumph der
moralischen Revolution.
Freiburg u.a.: Herder 2015, 266 S., Personenregister
Verlagsankündigung mit Leseprobe: hier
Freiburg u.a.: Herder 2015, 266 S., Personenregister
Verlagsankündigung mit Leseprobe: hier
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