Mittwoch, 18. Juli 2018

Das (Zerr-)Bild des Propheten Mohammed im aufklärerischen Europa

Daniel Zyranka:  Mahomet
Repräsentationen des Propheten in deutschsprachigen Texten des
18. Jahrhunderts


Verlagsinformation: Mahomet
Mit diesem Buch wird eine Forschungslücke geschlossen: Das Thema „Islam und 18. Jahrhundert“ wird erstmals umfangreich dargestellt und kritisch evaluiert.„Islam“ scheint ein selbstevidenter Ausdruck zu sein, dessen Geburtsstunde im Arabien des 7. Jahrhunderts verortet und dessen Geschichte aus diesem Epizentrum heraus erzählt wird. Die vorgelegten religionsgeschichtlichen Studien sollen eine andere Perspektive einnehmen, denn sucht man in der deutschsprachigen Literatur des 18. Jahrhunderts nach diesem Ausdruck, so findet man ihn so gut wie gar nicht. „Islam“ ist keine im 18. Jahrhundert repräsentierte Referenzgröße. Dagegen begegnen in den Quellen viele textliche Darstellungen des Propheten MAHOMET. Die Repräsentationen sind facettenreich und widersprüchlich. Neben Betrug geht es um vernünftige Religion, neben Häresie erscheint staatsmännische Klugheit. In 25 Kapiteln werden in diesem Buch Repräsentationen des Propheten im historischen Kontext des 18. Jahrhunderts aufgesucht und vorgestellt.Der Autor weist darauf hin, dass die Texte der damaligen Zeit nicht „den Islam“ als eine Religion im heutigen Sinne repräsentieren. Diesen Islam gibt es nicht, davon ist Cyranka überzeugt. Sein Buch belegt eindrücklich, dass sich statt dem Islam in den verschiedenen Texten vielmehr diverse und widersprüchliche Repräsentationen MAHOMETS zeigen, die nicht auf die historische Figur, sondern auf ihre jeweiligen Kontexte gerichtet sind.
Zum Autor: Dr. Daniel Cyranka ist Professor für Religionswissenschaft und Interkulturelle Theologie an der Theologischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, kooptiertes Mitglied der Philosophischen Fakultät 1 sowie Mitglied in den Direktorien der Interdisziplinären Zentren für Aufklärungsforschung und für Pietismusforschung der Martin-Luther-Universität.

Freitag, 13. Juli 2018

Absage an westlich-kulturelle Überlegenheiten angesichts neuer Weltorientierungen

Stefan Weidner:
Jenseits des Westens.
Für ein neues
kosmopolitisches Denken

München: Hanser 2018, 368 S., Personenregister
ISBN-10: 3446258493 --- ISBN-13: 978-3446258495

Verlagsinformation
Die Zeit der westlichen Überlegenheit ist vorbei –
Stefan Weidners scharfsinniges Plädoyer
für ein neues kosmopolitisches Denken
Wir waren es gewohnt, dass Europa
und Nordamerika die Welt dominieren.
In Zeiten der Globalisierung melden
nun andere Großmächte politische und
wirtschaftliche Ansprüche an und stellen
die „westliche“ Weltdeutung in Frage.
Fortschritt, Säkularisierung, Liberalismus: Warum sollten diese Prinzipien
unserer Ideengeschichte für den ganzen Globus gelten?
Stefan Weidner ist ein Anhänger der Aufklärung.
Gerade deshalb plädiert er dafür, Weltentwürfe aus Arabien,
Afrika oder China ernst zu nehmen.
Der „Westen“ darf nicht glauben, die ganze Welt werde früher oder später
seine Vorstellungen übernehmen.
Wir brauchen ein kosmopolitisches Denken, das die Vorstellung
kultureller Überlegenheit überwindet.

Mittwoch, 11. Juli 2018

Zurück zu den Ursprüngen: Wege der Schamanen, Gnostiker, Mönche und Mystiker

Joan Prat: La nostalgia de los orígenes. Chamanes, gnósticos, monjes y místicos
Die Sehnsucht nach den Ursprüngen - vier spirituelle Wege: Schamanismus, Gnosis, Mönchtum, Mystik

Barcelona: Editorial Kairós 2018, 618 pp.

ISBN: 978-8499885551

Ausführliche Besprechung in Tendencias Religiones (18.01.2018) von Juan A. Martínez de la Fe: hier

Verlagsinformation
Das Buch Genesis ist der große Mythos vom Ursprung des Okzidents. Es erzählt die Schöpfung der Welt und der Menschheit, und zwar mit Nachdruck an drei kritischen Momenten: Die Harmonie und die Vollkommenheit der ursprünglichen paradiesischen Existenz; der Ungehorsam des Menschen und der Fall; und schließlich die Möglichkeit, das verlorene Paradies wieder zu erlangen.
Die Sehnsucht nach den Ursprüngen zeigt, dass es vier große Wege gibt, um zu diesem besagten Anfang zurückzukehren: 

  • Der schamanische Weg, der das Ziel hat, die verschiedenen Welten und Strukturen in der Person des Schamanen zu verbinden;
  • Der gnostische Weg. Er ist der Pfad der esoterischen Erkenntnis, der zur Vollkommenheit der Anfänge führt;
  • Der monastische Weg. Es ist derjenige, der die Erlösung durch Askese und Verzicht zu finden sucht;
  • Der mystische Weg, der in der Einheit mit dem Absoluten oder dem Göttlichen sein Zentrum erreicht.
Betrachtet man die offenkundigen Unterschiede zwischen dem Schamanen, dem Gnostiker, dem Mönch und dem Mystiker, dann zeigt uns Prat an ihnen, dass diese Typen der Persönlichkeit dasselbe Ziel verfolgen: jenes goldene Zeitalter und die Fülle des Anfangs wieder zu beleben. Die benutzte Methodologie verbindet geschickt theoretische Aspekte mit der Arbeit im Bereich der Anthropologie. Es entsteht eine Darstellung in Verbindung von mikro-ethnografischen Prägungen und dazu gehörenden Erfahrungen.
Der vorliegende Text bildet den Höhepunkt theoretisch-ethnografischer Interessen, die das gesamte Leben des Autors angeregt haben. 

Joan Prat (geb. 1947) ist Professor (em.) für Anthropologie an der Universität Tarragona.
Mehr zu seiner Person: hier

                                                                                                                                    Übersetzung: R.K.


Información del editorial
El gran mito del origen de Occidente es el libro del Génesis, que narra la creación del mundo y de la humanidad, con énfasis en tres momentos críticos: la armonía y plenitud de la existencia paradisíaca original; la desobediencia y caída; y –finalmente– la posibilidad de recuperar el paraíso perdido.



La nostalgia de los orígenes muestra que existen cuatro grandes vías para retornar a dicho origen: la senda chamánica, que persigue fusionar los diferentes mundos y planos en la persona del chamán; la vía gnóstica, que es la senda del conocimiento esotérico que conduce a la completitud de los inicios; la vía monástica, que es la que busca la salvación a través de la ascesis y la renuncia; y la vía mística, que es la que se centra en la unión con lo Absoluto o lo Divino.
A pesar de las aparentes diferencias entre el chamán, el gnóstico, el monje y el místico, Prat nos muestra cómo estas figuras persiguen el mismo objetivo: revivir aquella edad de oro y plenitud inicial. La metodología utilizada combina hábilmente los aspectos teóricos con el trabajo de campo antropológico, presentado a través de microetnografías y experiencias participantes. El presente texto es la culminación de los intereses teórico-etnográficos que han animado las investigaciones de toda la vida del autor

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Samstag, 7. Juli 2018

Die islamische Aufklärung zwischen Glaube und Vernunft. Von 1798 bis in die moderne Zeit (aktualisiert)

book cover

The Islamic Enlightenment  
THE STRUGGLE BETWEEN FAITH AND REASON, 1798 TO MODERN TIMES
Author: Christopher de Bellaigue 
New York City: Norton & Norton 2017, 432 pp.
--- ISBN 978-0-87140-373-5 --- 

Verlagsinformation von Norton & Norton
A revelatory and game-changing narrative that rewrites everything we thought we knew about the modern history of the Islamic world.
With majestic prose, Christopher de Bellaigue presents an absorbing account of the political and social reformations that transformed the lands of Islam in the nineteenth and early twentieth centuries. Flying in the face of everything we thought we knew, The Islamic Enlightenment becomes an astonishing and revelatory history that offers a game-changing assessment of the Middle East since the Napoleonic Wars.
Beginning his account in 1798, de Bellaigue demonstrates how Middle Eastern heartlands have long welcomed modern ideals and practices, including the adoption of modern medicine, the emergence of women from seclusion, and the development of democracy. With trenchant political and historical insight, de Bellaigue further shows how the violence of an infinitesimally small minority is in fact the tragic blowback from these modernizing processes.
Structuring his groundbreaking history around Istanbul, Cairo, and Tehran, the three main loci of Islamic culture, de Bellaigue directly challenges ossified perceptions of a supposedly benighted Muslim world through the forgotten, and inspiring, stories of philosophers, anti-clerics, journalists, and feminists who opened up their societies to political and intellectual emancipation. His sweeping and vivid account includes remarkable men and women from across the Muslim world, including Ibrahim Sinasi, who brought newspapers to Istanbul; Mirza Saleh Shirzi, whose Persian memoirs describe how the Turkish harems were finally shuttered; and Qurrat al-Ayn, an Iranian noble woman, who defied her husband to become a charismatic prophet.
What makes The Islamic Enlightenment particularly germane is that non-Muslim pundits in the post-9/11 era have repeatedly called for Islam to subject itself to the transformations that the West has already achieved since the Enlightenment—the absurd implication being that if Muslims do not stop reading or following the tenets of the Qur’an and other holy books, they will never emerge from a benighted state of backwardness. The Islamic Enlightenment, with its revolutionary argument, completely refutes this view and, in the process, reveals the folly of Westerners demanding modernity from those whose lives are already drenched in it.

Montag, 2. Juli 2018

Wieder im Blick: Spirituelles Tibet - Mythen und Gottheiten


Fabrice Midal:
Tibetische Mythen und Gottheiten.
Einblick in eine spirituelle Welt. 
Aus dem Französischen  von Rolf Remers     
Berlin: Theseus 2002, 160 S. 
--- ISBN 3-89620-187-5 --- 
Original: Mythes et dieux tibétains.
Paris: Seuil 2000, 192 pp.

Collection 
Points, n° 152. Sagesses, n° 152
  • English summary at the end of the review
  • Résumé français au bout du compte rendu


Inhaltsverzeichnis
Zur Verdeutlichung auf die Bilder klicken!
Wer die religiöse Szene in Deutschland näher betrachtet, wird immer wieder auf buddhistische Zentren stoßen, die sowohl in reizvoller landschaftlicher Umgebung wie in den Städten zu finden sind. Viele von ihnen stehen dem tibetischen Buddhismus nahe und gehören einer der vier Hauptrichtungen bzw. Orden an. Auch manchen Anhängern, geschweige denn den völlig Unerfahrenen erschließt sich die Vielfalt des tibetischen Buddhismus nicht ohne weiteres. Er bleibt in gewisser Weise eine exotische Welt mit dem Geruch des Fremden, ein Glaubensmuster, das sich scheinbar nur schwer mit den Wurzeln der eigenen religiösen
Sozialisation verbinden lässt. 
Wer kennt sich schon mit
den fünf kosmischen 
Buddhas aus? Wer weiß, wie sich der Mahayana-Buddhismus in Tibet durch die Verbindung mit der vorbuddhistischen Bön-Religion entwickelt hat? Wie sieht der Zusammenhang mit der religiösen Vielfalt „auf der Seidenstraße“ aus? Was ist von einzelnen Riten zu halten?
Muss man tibetisch lernen, um den tibetischen Buddhismus zu verstehen?
Wieso gibt es Götter im Buddhismus?

Wer etwas über das Leben Buddhas und die ersten Jahrhunderte der buddhistischen Geschichte in Indien und Südasien bis hin nach China gelesen hat, wundert sich noch mehr:
Da gibt es im tibetischen Buddhismus jähzornige Gottheiten, die Menschen zertreten, im Götter-Pantheon spielt die sexuelle Verbindung eine große Rolle. Hier gerät ein Buddhismus, der doch asketisch zu sein scheint mit einer Glaubensrichtung zusammen, die die Ekstase liebt. Lässt sich das überhaupt vereinen? Und wie kann man von Göttern ausgehen, wenn es doch im Buddhismus eigentlich gar keine Schöpfung gibt?
Und es wird noch komplizierter: Die Unterteilung der Götter und Gottheiten in verschiedene Klassen müssen sich die LeserInnen als Grundlage klarmachen. Aber mit einem Mal gewinnt die nicht mehr zu überschauende Vielfalt ein Muster, das nicht im Lernen der verschiedenen Göttertypen besteht, sondern in der Entdeckung wie die Erfahrungen der Gnade und die Quellen des Segens göttliche und menschliche Gestalt annehmen und im Kreislauf der Wiedergeburten geradezu verankert sind.
Vermutlich liegt es an den schriftstellerischen Qualitäten des Autors, dass dieses Buch trotz einer Fülle von Informationen leicht zu lesen ist:
Fabrice Midal (geboren 1967) ist ein französischer Philosoph und Gründer der
École Occidentale de Méditation


In recht knapp (manchmal etwas zu knapp gehaltenen) Informationen klärt er auf:
Über die tibetische Welt der Götter, Halbgötter, Bodhisattvas, Lamas, Wallfahrer usw.  Er macht auf diese Weise deutlich, wie aus dem historischen Buddha der kosmische Buddha wurde. Auf dem Wege zur Buddha-Natur sind all die Rituale und Gebete, Herstellung von Mandalas und Opferungen, meditativen Übungen, Einweihungen und Visionen Wegmarken eines spirituellen Weges, besser eines spirituellen Wegenetzes, auf dem immer wieder Entdeckungen des Göttlichen möglich werden. Dharma und Karma sind dabei – wie generell im Buddhismus – Schlüsselbegriffe für die menschlichen Existenz.
„Das Vajrajana, der authentische Weg der Einweihung, bietet dem entmenschlichten Menschen die Möglichkeit, die göttliche Gegenwart wiederzuentdecken. Nicht indem Dogmen eingehalten werden, sondern indem man Methoden zur präziseren Überprüfung der eigenen Erfahrung findet und die eigene Unbegrenztheit entdeckt“ (S. 147).
Vielleicht liegt hier ein gut Teil der Faszination, die westliche Menschen bei der Annäherung an die vielen Varianten des tibetischen Buddhismus empfinden.
Wer dieses Buch aufmerksam liest, wird sicher eine Reihe von Missverständnissen und westlichen Fehlinterpretationen des Buddhismus beiseite legen können, er/sie wird aber auch leichter selbst den Dalai Lama im Kontext der spirituellen Welt Tibets sehen und entdecken, dass jede aufrichtig gelebte Religion auf den Dialog mit anders Denkenden und Glaubenden ausgerichtet ist. Das vorliegende Buch leistet dazu verständliche und informative Vorarbeit. Unter diesen Gesichtspunkten lässt es sich sogar als Unterrichtshilfe zur Vorbereitung des Lehrers/der Lehrerin und für ältere Schüler/innen als Wissensbasis gut nutzen.

English Summary
The author, Fabrice Midal (born 1967) is a French philosopher and founder of École Occidentale de Méditation (School of Western Meditation).
He gives clear explanations on the Tibetan world of the gods, demigods, bodhisattvas, lamas, pilgrims, etc. So the reader can understand how the historical Buddha became the cosmic Buddha. On the way to the Buddha-nature, all the rituals and prayers, preparation of mandalas and sacrifices, meditative exercises, initiations and visions are landmarks of a spiritual path, better of a spiritual network of paths where discoveries of the divine are possible. Dharma and Karma are - as generally in Buddhism - key concepts for human existence.

Résumé français
L'auteur, Fabrice Midal (né en 1967) est un philosophe français et fondateur de
l'École Occidentale de Méditation.

Il donne des explications claires sur le monde tibétain des dieux, des demi-dieux, des bodhisattvas, des lamas, des pèlerins, etc. Ainsi, le lecteur peut comprendre comment le Bouddha historique est devenu le Bouddha cosmique. Sur le chemin de la nature de Bouddha, tous les rituels et prières, la préparation des mandalas et des sacrifices, exercices méditatifs, initiations et visions sont des repères d'un chemin spirituel, mieux d'un réseau spirituel de chemins où les découvertes du divin sont possibles. Le dharma et le karma sont - comme généralement dans le bouddhisme - des concepts clés pour l'existence humaine.

Zuerst erschienen in Reinhard Kirste / Paul Schwarzenau (Hg.): Gespiegelte Wahrheit. Biblische Geschichten und Kontexte anderer Religionen.
Iserlohner Con-Texte Nr. 18 (ICT 18). Iserlohn  2003, S. 93,
neu bearbeitet und erweitert: 02.07.2018

Reinhard Kirste

Chenresig Puja: Meditationsanleitung in Verbindung
mit dem vielarmigen Bodhisattva Avalokiteshvara,
dem großen Mitfühlenden (tibetisch =  Chenresig). 


CC