Mittwoch, 5. Dezember 2018

Tukaram (17. Jh.) - Worte mystischer Hingabe eines indischen Poeten im Spiegel von Dilip Chitre

Dilip Chitre: Worte des Tukaram
München: A 1 Verlag, 1999, 229 S., Glossar

Aus dem Englischen von Lothar Lutze


Verlagsinformation zum Buch: hier


  • English summary at the end of the review
  • Résumé français au bout du compte rendu
Der Dichter Dilip Purushottam Chitre (geb.  17.09.1938 in Baroda, gest. 10.12.2009 in Pune, Bundesstaat Mahashtra . Er gehört zu den bedeutenden indischen Schriftstellern und Poeten der Gegenwart. Er war zugleich Maler und engagierter Filmregisseur.  Seine Muttersprache war Marathi,
er schrieb aber auch in Englisch.
Von ihm erschienen mehrere Gedichtsammlungen.
International bekannt wurde er als 
Filmemacher, hauptsächlich durch Dokumentarfilme.

In Deutschland erschien: Bombay - Geliebter Moloch (1998). 

1984 erhielt er beim Filmfestival in Nantes
den Spezialpreis für seinen Film Godam (1983).

Chitre hat sich auch als Übersetzer der Marathi-Texte ins Englisch, überhaupt klassischer indischer Literatur, teilweise aus dem 12. Jahrhundert, einen Namen gemacht.


Chitre schöpft in seiner eigenen Dichtung  aus der reichen literarischen Tradition Indiens. Er hat u.a. auch klassische Texte aus dem indischen Mittelalter übersetzt. Im vorliegenden Buch hat er den berühmten indischen Mystiker Tukaram (1598 oder 1608 bei Pune, gest. 1649/1650) gewissermaßen gegenwärtig gespiegelt. Er hat seine Worte aufgenommen und als Herausforderung für die Gegenwart präsentiert. Die Kritik des Tukaram an den Verhältnissen des 17. Jahrhunderts können darum auch aktuell verstanden werden. 
Tukaram (Baroda Art Gallery / Wikipedia.en)

Im Nachwort zum Buch bemerkt Chitre darum: "Obwohl Tukaram seiner Kaste nach kein Shudra war, unterteilten die Brahmahnen in Maharasthra in jener Zeit die Gesellschaft im Wesentlichen in Brahmanen und die anderen. Tukaram hatte eine zwiespältige Einstellung zum Kastensystem, zur Theorie des Karma und zu den Privilegien, welche die Brahmanen-Priester angeblich von Geburt genossen. Manchmal spricht er mit kräftigem Sarkasmus über sie und niemals ohne eine feine, scharfe Ironie" (S.220).
Bilanz (Zusammenfassung)
Durch die Worte des Tukaram findet eine erstaunliche Begegnung zwischen einem indischen Mystiker des
17. Jahrhhunderts und einem moderner indischen Dichter statt.  Daraus entsteht ein lyrisches Leuchtfeuer. Dieses poetische Licht gibt nicht nur den Blick frei in die faszinierenden lokalen Traditionen des westlichen Indiens, sondern auch in das Denken eines heutigen Poeten, der sich als Kosmopolit versteht.  Dadurch gelingt es, dass seine - in der Heimatsprache Mahashti verfassten - Verse auch in der englischen und dann in der deutschen Übersetzung erstaunliche Sprachkraft gewinnen. 


Der Heilige Tukaram wird
in den Himmel Vishnus erhoben
 
(Wikipedia)
Chitre redet aus Alltagsbeobachtungen heraus. Seine Worte können sich innerhalb eines Gedichts von der Banalität über vulgär-populäre Direktheit zu mystischer Hymnik aufschwingen. Seine Poesie ist gewissermaßen vom Rande der (bürgerlichen) Gesellschaft her geschrieben. Seine Texte prangern darum auch selbstkritisch und ironisch spirituellen Hochmut und religiösen Standesdünkel (der Brahmanen) an. 
Man spürt es: Der Dichter ist unnmittelbar von der Bhakti-Frömmigkeit  des Tukaram tief bewegt.

Wer sich einsetzt
für die Getretnen und Geschlagnen --- 
Den betrachte als Heiligen
Denn Gott ist mit ihm
 Das Gemüt des Guten --- ist außen weich --- und innen weich
--- Sagen wir es ist wie Butter --- 
Er schließt  --- 
jeden einsamen Menschen ins Herz
Er sieht
in einem Sklaven  ---- den eignen Sohn
Sagt Tukaram
Ich werde nicht müde --- zu wiederholen
Solch ein Mensch --- ist Gott in Person
Aus: Worte des Tukaram. aaO S. 150

Ich bin kein Guru 
Tukaram-Verehrung: Gatha-Tempel in Dehu, bei Pune in Maharashtra,
einer der beiden Tempel, die das Erbe Tukarams bewahren.
Einige seiner Gedichte sind in die Wände eingraviert 
(Wikipedia.en).
Ich regne wie eine  Wolke
Hört --- O ihr Heiligen
Das Geräusch 
das ihr hört
ist das Fallen des Regens

Es ist Kindergelall
Es kommt von Gott
dem Anfang der Sprache

Einst
wurd ich geschmolzen
in seiner 
ursprünglichen Münze
Jetzt fall ich heraus als sein Geld

Nehmt einen Schluck
Sagt Tukaram
Trinkt euch voll
Ich habe sie gefunden --- die Quelle

Aus: "Worte des Tukaram, aao S. 39 --- 
Vgl. die biblischen Parallelen: hier --- besonders Psalm 8,2: 
"Aus dem Munde der jungen Kinder und Säugline hast du eine Macht zugerichtet ..." 

English Summary:
The Indian poet Tukaram - his words of mystical devotion in the mirror of Dilip Chitre

Through the words of Tukaram, an amazing encounter between a 17th century Indian mystic and a modern Indian poet takes place. This creates a lyrical beacon. The poetic light does not only reveal the fascinating local traditions of western India, but also the thinking of a contemporary poet who sees himself as a cosmopolitan. This enables that his  verses - written in the native language of Mahashti - achieve an amazing powerfulness regarding to its language in the English as well as in the German translation. It fluctuates between popular directness and mystical hymn. The poems are, to a certain extent, writtem by the edge of (civil) society. They also denounce the spiritual arrogance and religious conceit 
in a self-critical and ironic manner. You can feel it: the poet is deeply moved by the Bhakti devoutness of Tukaram.
Translation: Paula Tollmann (TU Dortmund) & Reinhard Kirste


Résumé français:
Le poète indien Tukaram - ses mots d'une dévotion mystique  dans le miroir de Dilip Chitre

À travers les mots de Tukaram, une rencontre étonnante a lieu entre un mystique indien du XVIIe siècle et un poète indien moderne. Cela crée un fanal lyrique. Cette lumière poétique révèle non seulement les fascinantes traditions locales de l'Inde occidentale, mais aussi la pensée d'un poète contemporain qui se considère comme un cosmopolite. Cela rend possible que ses vers - écrits dans sa langue maternelle de Mahashti - gagnent un pouvoir linguistique incroyable, aussi bien en anglais qu’en traduction allemande. Elle oscille entre la immédiatité populaire et l'hymne mystique. Les poèmes sont écrits dans une certaine manière au bord de la société (civile). Ils dénoncent également – par une manière autocritique et ironique –  l'arrogance spirituelle et la vanité religieuse. On le sent: le poète est  profondément touché par la piété Bhakti de Tukaram.
Traduction: Laura Supthut (TU Dortmund)  & Reinhard Kirste
Reinhard Kirste




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