Monika
und Udo Tworuschka:
Der Islam. Feind oder Freund?
38 Thesen gegen eine Hysterie.
Freiburg/Br.: Kreuz-Verlag 2019, 142 S., Register
--- ISBN 978-3-946905-60-1 ---
Der Islam. Feind oder Freund?
38 Thesen gegen eine Hysterie.
Freiburg/Br.: Kreuz-Verlag 2019, 142 S., Register
--- ISBN 978-3-946905-60-1 ---
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Interreligiöse Bibliothek (IRB):
Buch des Monats September 2019
--- English Summary >>>
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(also at the end of the review -
aussi au bout du compte rendu -
también al final de la reseña)
Buch des Monats September 2019
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Das Autorenehepaar Monika
und Udo Tworuschka, beide Religionswissenschaftler, haben im Rahmen ihres
wissenschaftliche Arbeitens immer wieder betont, dass die Religionswissenschaft
sich auch praktisch verorten lassen sollte.
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Der vorliegende Essay ist das wohl deutlichste Beispiel für
diese Haltung. Der Text, in 38 Thesen formuliert, jedoch unter vier
Hauptgesichtspunkten geordnet, drückt zugleich islamwissenschaftliche Kompetenz
und gegenwärtig notwendiges Engagement aus. Auf diese Weise setzen die
Tworuschkas den zunehmenden Abgrenzungsmechanismen, Feindbildern und
Verschwörungstheorien im Blick auf den Islam eine sachgerechte und keineswegs
unkritische Orientierung entgegen. Dies hat nichts mit jener „Islamkritik“
derer zu tun, die auf der Welle der Polemik zwar Sachlichkeit vorzugeben scheinen,
jedoch vielmehr bewusst Ängste schüren.
Besonders auffällig sind in
dieser „Gemengelage“ die Fundamentalismen und Absolutsetzungen sowohl der
Islamisten als auch der Islamkritiker: Man bedient sich des Korans als passendem
Argumentations-Steinbruch, um den eigenen Anspruch zu zementieren (These 9).
Mehr und mehr wird dadurch die Gesellschaft gespalten. So haben die Autoren
auch „ kein islamkritisches Buch,
sondern ein kritisches Islambuch“ geschrieben
(S. 11). Zwar kann man mit Sachkompetenz Panikmacher nur sehr bedingt zum
Umdenken bewegen, aber wer sich einigermaßen ehrlich auf „den“ Islam als
Weltreligion in seinen vielfältigen Formen einlässt (Thesen 10-11), trägt damit
zur Entschärfung der Islamdebatte bei.
Weil das weite Feld des Islam in Vergangenheit und Gegenwart nur wenigen
Spezialisten bekannt sein dürfte, nimmt das Autorenpaar die vier Themenfelder mit
den 38 Thesen prägnant und zugleich leicht lesbar in folgender Weise auf:
Die Thesen 1-9 des ersten
Themenkreises zeigen die durchweg verkürzte
Wahrnehmung des Islam in den Medien und den öffentlichen Debatten. So werden Türken, Afrikaner und Araber
generell als Muslime abgestempelt, deren „Heimat“ natürlich Europa weder sein
noch werden kann, zumal hier ein Heimatverständnis des nationalsozialistischen
Staatsrechtlers Carl Schmitt mitschwingt (S. 38f); auch eine islamische
Überfremdung lässt sich nirgendwo belegen. Wie die drei orientalischen
Religionen – Judentum, Christentum und eben auch der Islam – die europäische
Kultur geprägt haben, wird schlichtweg ausgeblendet, als gäbe es die Iberische
Halbinsel und Bosnien nicht. Es ist geradezu absurd, wenn an dieser Stelle
schlichtweg die Aufklärung mit Philosophen und Literaten wie Kant und Lessing
und aufgeklärten Herrschern in Preußen und der Habsburger Monarchie
ausgeblendet wird.
Im zweiten Themenkreis mit
den Thesen 10-19 versuchen die Autoren der Unkenntnis im Blick auf den Islam
zu begegnen, indem sie diese universale Religion in den Horizont der religiösen
Entwicklung von der Spätantike bis hin zu gegenwärtigen Entwicklungen einbinden.
Sie betonen dabei die vielfältigen Ausprägungen in der Gegenwart.
So ist auch der Koran Teil
der europäischen Geschichte und damit natürlich auch Teil Deutschlands. Eine
besondere Nähe tut sich gerade zwischen den drei Abrahamsreligionen Judentum,
Christenum und Islam auf. Unter diesen Bedingungen zu bestreiten, dass die islamische
Ethik nicht mit den europäischen, gar den „deutschen“ Werten kompatibel sei,
wirkt geradezu wie eine Geschichtsverweigerung. Man kann nur hoffen, dass
bereits eingeleitete dialogorientierte Initiativen gerade von muslimischer
Seite langsam zum gesellschaftlichen Erfolg beitragen.
Im dritten Themenkreis mit
den Thesen 20-29 benennen die Autoren die Kontroversen und Konfliktbereiche
gerade im gesellschaftlichen Kontext sehr deutlich. Es geht um den Islamismus
in seinen verschiedenen Schattierungen und um religiöse Rechtfertigung von
Gewalt in persönlichen und gesellschaftlichen Zusammenhängen. Streitthemen sind
auch die Bedeutung des Djihad als Glaubensanstrengung, während heiliger Krieg
ursprünglich aus dem christlichen Sprachgebrauch kommt. Völkerrecht und
Lebensorientierung durch die Scharia, Stellung der Frau und sexuelle Gewalt
sowie (männliche) Machtansprüche und Ehrvorstellungen sind weitere
Differenzpunkte. Die Autoren sprechen schließlich noch die Wahrung der Menschenrechte
im Horizont islamischen Glaubens an sowie den Zusammenhang von Islam und
Demokratie, der sich durchaus islamisch begründen lässt. Nur sorgfältige
Differenzierungen können an diesen Stolpersteinen verhindern, dass Vorurteile
und Ablehnungsmechanismen weiter gefördert werden. Die Auslegungsbreite
islamischen Selbstverständnisses ermöglicht nämlich durchaus, dass sich der
Islam auch in einen säkularen Staat integrieren lässt.
Aus diesen mehr
grundsätzlichen, ethischen, historischen und religionswissenschaftlichen
Überlegungen lassen sich nun praktische
Erkenntnisse und Forderungen ableiten. Dies geschieht im vierten Themenkreis mit den Thesen 30-38. In diesem Zusammenhang
hat es keinen Sinn, „dem“ Islam die Schuld „für alles“ in die Schuhe zu
schieben, auch wenn Salafisten keinen Hehl aus ihrer Ablehnung einer
demokratischen Grundordnung machen. Allerdings muss genau hingeschaut werden,
wenn sich Muslime auf die Scharia berufen, und zwar deshalb, weil zu fragen
ist, was sie genau damit meinen und ob hier nicht ein eigenwilliges Islamverständnis
zweifelhafte Triumphe feiert. Insgesamt sind nämlich dort unmissverständlich Grenzen
zu setzen, wo die Religionsfreiheit und die Toleranz gefährdet werden. Das gilt
z.B. für einen unbestreitbar
existierenden islamischen Antisemitismus bis hin zum unverhohlenen Judenhass.
Insgesamt fordern die Autoren darum von allen Seiten eine „stärkere
Ambiguitätstoleranz“. Das bedeutet die Fähigkeit, „speziell in interkulturellen
Zusammenhängen …Widersprüchlichkeiten und gegensätzliche Erwartungen
auszuhalten, die durch kulturell bedingte Unterschiede und vieldeutige, ungenau
bestimmte Informationen auftreten können“ (S. 115).
Und schließlich ist entscheidend, in den Debatten um den Islam das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden und nicht etwa die Kopftuchpolemiken immer wieder als Zentralthema hochzuspielen. Dem „Kampf der Kulturen“ ist der Austausch der gesellschaftlichen Werte und die Teilhabe am gesellchaftlichen Leben ohne Diskriminierungen entgegenzusetzen. Herkunft, Identitäten und Glaubensweisen von Menschen sind höchst unterschiedlich, Riten und Bräuche wirken auf andere oft befremdlich. Die Zukunft eines immer schon und weiterhin vielfältigen Europas liegt jedoch darin, dass sich alle Autochthonen und Zugewanderten an den Wertemaßstab halten, der seit der Französischen Revolution ein Leben in Menschenwürde in besonderer Weise betont, nämlich Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit/Schwesterlichkeit.
Und schließlich ist entscheidend, in den Debatten um den Islam das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden und nicht etwa die Kopftuchpolemiken immer wieder als Zentralthema hochzuspielen. Dem „Kampf der Kulturen“ ist der Austausch der gesellschaftlichen Werte und die Teilhabe am gesellchaftlichen Leben ohne Diskriminierungen entgegenzusetzen. Herkunft, Identitäten und Glaubensweisen von Menschen sind höchst unterschiedlich, Riten und Bräuche wirken auf andere oft befremdlich. Die Zukunft eines immer schon und weiterhin vielfältigen Europas liegt jedoch darin, dass sich alle Autochthonen und Zugewanderten an den Wertemaßstab halten, der seit der Französischen Revolution ein Leben in Menschenwürde in besonderer Weise betont, nämlich Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit/Schwesterlichkeit.
Bilanz: Monika und Udo Tworuschka
haben mit ihren Thesen für den nicht immer leichten Umgang mit islamischen
Verständnissen und Unverständnissen präzise Sachinformationen und Frieden
fördernde Impulse und Vorschläge geliefert. Das Buch kann geradezu als
Vademecum beim Umgang mit konfliktreichen Islamdebatten gesehen werden.
Zusammenfassung:
Freundschaftlicher Dialog statt Konfrontation mit dem Islam
Das Autorenpaar Tworuschka setzt mit diesem Thesenbuch den
zunehmenden Abgrenzungsmechanismen, Feindbildern und Verschwörungstheorien im
Blick auf den Islam eine sachgerechte und keineswegs unkritische Orientierung
entgegen. Die beiden bemängeln die verkürzte Wahrnehmung „des“ Islam, besonders
in den öffentlichen Islamdebatten. Dass diese universale Religion – und damit
auch der Koran – Teil Europas ist, belegen sie darum präzise – auch im Blick
auf die drei Abrahamsreligionen. Man muss schon Tatsachen verdrehen, um von
einer islamischen Überfremdung reden zu können. Die konflikträchtigen Themen,
die gern unter den Begriffen Dijihad, Heiliger Krieg, Scharia, religiöse
Gewaltvorstellungen, Unterdrückung der Frau abgehandelt werden, müssen an
islamischen Vorstellungen zu Demokratie und Menschenrechten sowie
Religionsfreiheit und Toleranz gespiegelt werden. Im Blick auf ein Europa, das
immer schon ein Erdteil der ethnischen religiösen und kulturellen Vielfalt war,
gilt „Ambiguitätstoleranz“ einzuüben, d.h. man muss sich bewusst mit dem Anderen
in seinem Anderssein auseinander setzen und dabei doch die Grundwerte von
Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit/Schwesterlichkeit zu wahren.
English summary: Friendly dialogue instead of confrontation
with Islam
With this book of theses Monika and
Udo Tworuschka, well known scholars in religious science, oppose the increasing
mechanisms of discrimination, enemy images and conspiracy theories with an
appropriate and by no means uncritical orientation with regard to Islam.
They criticize the shortened
perception of "the” Islam, especially in the public debates on Islam. Therefore
they prove precisely that Islam – and thus also the Qur’an – is part of Europe –
also in view of the three Abrahamic religions. You have to distort facts in
order to be able to speak of an Islamic infiltration. The conflict-ridden
topics, which are often dealt with under the terms of Jihad, holy war, Sharia,
religious ideas of violence, oppression of women, must be reflected both in
Islamic ideas on democracy and human rights and in the concepts of religious
freedom and tolerance. In view of a Europe that has always been a continent of
ethnic, religious and cultural diversity, "tolerance of ambiguity"
must be practised, i.e. we must consciously deal with the other in his or her
otherness, and at the same time we have to preserve the basic values of
freedom, equality and fraternity/sisterhood.
Résumé français : Dialogue amical au lieu de confrontation
avec l'Islam
Avec ce livre de thèses, Monika et
Udo Tworuschka, experts fameux en science des religions, opposent les
mécanismes croissants de discrimination, d'images hostiles et de théories de
conspiration par une orientation appropriée qui est aussi critique à l'égard de
l'Islam.
Ils blâment la
perception raccourcie de l'Islam", en particulier dans les débats publics
sur l'Islam. C’est pourquoi Ils prouvent précisément que l'islam – et donc
aussi le Coran – font partie de l'Europe – également à la lumière des trois
religions d'Abraham. Il faut déformer les faits pour pouvoir parler d'une l'envahissement par les étrangers musulmans. Il est nécessaire, qu’on réflète les
sujets conflictuels dans les idées islamiques sur la démocratie et les droits
humains ainsi que sur la liberté. Il s’agit de thèmes, qui sont souvent traités
sous les termes de jihad, de guerre sainte, de charia, de violence religieuse,
d'oppression des femmes. Il faut qu’on pratique une la "tolérance de
l'ambiguïté" dans une Europe qui a toujours été un continent de diversité
ethnique, religieuse et culturelle.Cela signifie qu’on traite consciemment
l'autre dans son altérité et en même temps préserver les valeurs fondamentales
de liberté, d'égalité et de fraternité/sororité.
Resumen español (castellano): Diálogo amistoso,
en vez de confrontación con el Islam
en vez de confrontación con el Islam
Con este libro de tesis, Monika y Udo
Tworuschka, renombrados expertos en ciencias de la religión, confrontan los
crecientes mecanismos de discriminación, imágenes hostiles y teorías
conspirativas, con una orientación apropiada –que no deja de ser crítica– en el
tratamiento del Islam.
Critican la percepción simplista
sobre “el Islam", especialmente en los debates públicos sobre el tema.
Demuestran concretamente que esta religión universal – y con ella también su
Corán – forma parte de Europa, también teniendo en vista las tres religiones
que tienen como padre a Abraham. Hace falta distorsionar los hechos para poder
hablar de una infiltración islámica. Los temas conflictivos, que a menudo son
tratados en términos de djihad, guerra santa, sharia, violencia religiosa,
opresión de la mujer... deben ser reflexionados a la vez, tanto en ideas
islámicas sobre la democracia y los derechos humanos, como en los conceptos de
libertad religiosa y tolerancia. Teniendo a la vista que Europa ha sido siempre
un continente de diversidad étnica, religiosa y cultural, debe practicarse una
«tolerancia de la ambigüedad», es decir, debemos tratar conscientemente con el
otro en su alteridad, y al mismo tiempo preservar los máximos básicos de
libertad, equidad y fraternidad/sororidad.
Traducción: José María Vigil CMF, Ciudad de Panamá
Reinhard
Kirste
Rz-Tworuschka-Islam-Freund-Feind, 31.08.2019
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