Sonntag, 1. September 2019

Monika und Udo Tworuschka: Islam - Dialog statt Konfrontation


Monika und Udo Tworuschka:
Der Islam. Feind oder Freund?
38 Thesen gegen eine Hysterie.

Freiburg/Br.: Kreuz-Verlag 2019, 142 S., Register
--- ISBN 978-3-946905-60-1 ---
--- Interreligiöse Bibliothek (IRB):
     Buch des Monats September 2019
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     (
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aussi au bout du compte rendu 
-
     
también al final de la reseña) 
Das Autorenehepaar Monika und Udo Tworuschka, beide Religionswissenschaftler, haben im Rahmen ihres wissenschaftliche Arbeitens immer wieder betont, dass die Religionswissenschaft sich auch praktisch verorten lassen sollte.
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Der vorliegende Essay ist das wohl deutlichste Beispiel für diese Haltung. Der Text, in 38 Thesen formuliert, jedoch unter vier Hauptgesichtspunkten geordnet, drückt zugleich islamwissenschaftliche Kompetenz und gegenwärtig notwendiges Engagement aus. Auf diese Weise setzen die Tworuschkas den zunehmenden Abgrenzungsmechanismen, Feindbildern und Verschwörungstheorien im Blick auf den Islam eine sachgerechte und keineswegs unkritische Orientierung entgegen. Dies hat nichts mit jener „Islamkritik“ derer zu tun, die auf der Welle der Polemik zwar Sachlichkeit vorzugeben scheinen, jedoch vielmehr bewusst Ängste schüren.
Besonders auffällig sind in dieser „Gemengelage“ die Fundamentalismen und Absolutsetzungen sowohl der Islamisten als auch der Islamkritiker: Man bedient sich des Korans als passendem Argumentations-Steinbruch, um den eigenen Anspruch zu zementieren (These 9). Mehr und mehr wird dadurch die Gesellschaft gespalten. So haben die Autoren auch „ kein islamkritisches Buch, sondern ein kritisches Islambuch“ geschrieben (S. 11). Zwar kann man mit Sachkompetenz Panikmacher nur sehr bedingt zum Umdenken bewegen, aber wer sich einigermaßen ehrlich auf „den“ Islam als Weltreligion in seinen vielfältigen Formen einlässt (Thesen 10-11), trägt damit zur Entschärfung der Islamdebatte bei.
Weil das weite Feld des Islam in Vergangenheit und Gegenwart nur wenigen Spezialisten bekannt sein dürfte, nimmt das Autorenpaar die vier Themenfelder mit den 38 Thesen prägnant und zugleich leicht lesbar in folgender Weise auf:
Die Thesen 1-9 des ersten Themenkreises zeigen die durchweg verkürzte Wahrnehmung des Islam in den Medien und den öffentlichen Debatten. So werden Türken, Afrikaner und Araber generell als Muslime abgestempelt, deren „Heimat“ natürlich Europa weder sein noch werden kann, zumal hier ein Heimatverständnis des nationalsozialistischen Staatsrechtlers Carl Schmitt mitschwingt (S. 38f); auch eine islamische Überfremdung lässt sich nirgendwo belegen. Wie die drei orientalischen Religionen – Judentum, Christentum und eben auch der Islam – die europäische Kultur geprägt haben, wird schlichtweg ausgeblendet, als gäbe es die Iberische Halbinsel und Bosnien nicht. Es ist geradezu absurd, wenn an dieser Stelle schlichtweg die Aufklärung mit Philosophen und Literaten wie Kant und Lessing und aufgeklärten Herrschern in Preußen und der Habsburger Monarchie ausgeblendet wird.
Im zweiten Themenkreis mit den Thesen 10-19 versuchen die Autoren der Unkenntnis im Blick auf den Islam zu begegnen, indem sie diese universale Religion in den Horizont der religiösen Entwicklung von der Spätantike bis hin zu gegenwärtigen Entwicklungen einbinden. Sie betonen dabei die vielfältigen Ausprägungen in der Gegenwart.
So ist auch der Koran Teil der europäischen Geschichte und damit natürlich auch Teil Deutschlands. Eine besondere Nähe tut sich gerade zwischen den drei Abrahamsreligionen Judentum, Christenum und Islam auf. Unter diesen Bedingungen zu bestreiten, dass die islamische Ethik nicht mit den europäischen, gar den „deutschen“ Werten kompatibel sei, wirkt geradezu wie eine Geschichtsverweigerung. Man kann nur hoffen, dass bereits eingeleitete dialogorientierte Initiativen gerade von muslimischer Seite langsam zum gesellschaftlichen Erfolg beitragen.
Im dritten Themenkreis mit den Thesen 20-29 benennen die Autoren die Kontroversen und Konfliktbereiche gerade im gesellschaftlichen Kontext sehr deutlich. Es geht um den Islamismus in seinen verschiedenen Schattierungen und um religiöse Rechtfertigung von Gewalt in persönlichen und gesellschaftlichen Zusammenhängen. Streitthemen sind auch die Bedeutung des Djihad als Glaubensanstrengung, während heiliger Krieg ursprünglich aus dem christlichen Sprachgebrauch kommt. Völkerrecht und Lebensorientierung durch die Scharia, Stellung der Frau und sexuelle Gewalt sowie (männliche) Machtansprüche und Ehrvorstellungen sind weitere Differenzpunkte. Die Autoren sprechen schließlich noch die Wahrung der Menschenrechte im Horizont islamischen Glaubens an sowie den Zusammenhang von Islam und Demokratie, der sich durchaus islamisch begründen lässt. Nur sorgfältige Differenzierungen können an diesen Stolpersteinen verhindern, dass Vorurteile und Ablehnungsmechanismen weiter gefördert werden. Die Auslegungsbreite islamischen Selbstverständnisses ermöglicht nämlich durchaus, dass sich der Islam auch in einen säkularen Staat integrieren lässt.

Aus diesen mehr grundsätzlichen, ethischen, historischen und religionswissenschaftlichen Überlegungen lassen sich nun praktische Erkenntnisse und Forderungen ableiten. Dies geschieht im vierten Themenkreis mit den Thesen 30-38. In diesem Zusammenhang hat es keinen Sinn, „dem“ Islam die Schuld „für alles“ in die Schuhe zu schieben, auch wenn Salafisten keinen Hehl aus ihrer Ablehnung einer demokratischen Grundordnung machen. Allerdings muss genau hingeschaut werden, wenn sich Muslime auf die Scharia berufen, und zwar deshalb, weil zu fragen ist, was sie genau damit meinen und ob hier nicht ein eigenwilliges Islamverständnis zweifelhafte Triumphe feiert. Insgesamt sind nämlich dort unmissverständlich Grenzen zu setzen, wo die Religionsfreiheit und die Toleranz gefährdet werden. Das gilt z.B.  für einen unbestreitbar existierenden islamischen Antisemitismus bis hin zum unverhohlenen Judenhass. Insgesamt fordern die Autoren darum von allen Seiten eine „stärkere Ambiguitätstoleranz“. Das bedeutet die Fähigkeit, „speziell in interkulturellen Zusammenhängen …Widersprüchlichkeiten und gegensätzliche Erwartungen auszuhalten, die durch kulturell bedingte Unterschiede und vieldeutige, ungenau bestimmte Informationen auftreten können“ (S. 115).
Und schließlich ist entscheidend, in den Debatten um den Islam das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden und nicht etwa die Kopftuchpolemiken immer wieder als Zentralthema hochzuspielen. Dem „Kampf der Kulturen“ ist der Austausch der gesellschaftlichen Werte und die Teilhabe am gesellchaftlichen Leben ohne Diskriminierungen entgegenzusetzen. Herkunft, Identitäten und Glaubensweisen von Menschen sind höchst unterschiedlich, Riten und Bräuche wirken auf andere oft befremdlich. Die Zukunft eines immer schon und weiterhin vielfältigen Europas liegt jedoch darin, dass sich alle Autochthonen und Zugewanderten an den Wertemaßstab halten, der seit der Französischen Revolution ein Leben in Menschenwürde in besonderer Weise betont, nämlich Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit/Schwesterlichkeit.
Bilanz: Monika und Udo Tworuschka haben mit ihren Thesen für den nicht immer leichten Umgang mit islamischen Verständnissen und Unverständnissen präzise Sachinformationen und Frieden fördernde Impulse und Vorschläge geliefert. Das Buch kann geradezu als Vademecum beim Umgang mit konfliktreichen Islamdebatten gesehen werden.
Zusammenfassung: Freundschaftlicher Dialog statt Konfrontation mit dem Islam
Das Autorenpaar Tworuschka setzt mit diesem Thesenbuch den zunehmenden Abgrenzungsmechanismen, Feindbildern und Verschwörungstheorien im Blick auf den Islam eine sachgerechte und keineswegs unkritische Orientierung entgegen. Die beiden bemängeln die verkürzte Wahrnehmung „des“ Islam, besonders in den öffentlichen Islamdebatten. Dass diese universale Religion – und damit auch der Koran – Teil Europas ist, belegen sie darum präzise – auch im Blick auf die drei Abrahamsreligionen. Man muss schon Tatsachen verdrehen, um von einer islamischen Überfremdung reden zu können. Die konflikträchtigen Themen, die gern unter den Begriffen Dijihad, Heiliger Krieg, Scharia, religiöse Gewaltvorstellungen, Unterdrückung der Frau abgehandelt werden, müssen an islamischen Vorstellungen zu Demokratie und Menschenrechten sowie Religionsfreiheit und Toleranz gespiegelt werden. Im Blick auf ein Europa, das immer schon ein Erdteil der ethnischen religiösen und kulturellen Vielfalt war, gilt „Ambiguitätstoleranz“ einzuüben, d.h. man muss sich bewusst mit dem Anderen in seinem Anderssein auseinander setzen und dabei doch die Grundwerte von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit/Schwesterlichkeit zu wahren.

English summary: Friendly dialogue instead of confrontation with Islam
With this book of theses Monika and Udo Tworuschka, well known scholars in religious science, oppose the increasing mechanisms of discrimination, enemy images and conspiracy theories with an appropriate and by no means uncritical orientation with regard to Islam.
They criticize the shortened perception of "the” Islam, especially in the public debates on Islam. Therefore they prove precisely that Islam – and thus also the Qur’an – is part of Europe – also in view of the three Abrahamic religions. You have to distort facts in order to be able to speak of an Islamic infiltration. The conflict-ridden topics, which are often dealt with under the terms of Jihad, holy war, Sharia, religious ideas of violence, oppression of women, must be reflected both in Islamic ideas on democracy and human rights and in the concepts of religious freedom and tolerance. In view of a Europe that has always been a continent of ethnic, religious and cultural diversity, "tolerance of ambiguity" must be practised, i.e. we must consciously deal with the other in his or her otherness, and at the same time we have to preserve the basic values of freedom, equality and fraternity/sisterhood.

Résumé français : Dialogue amical au lieu de confrontation avec l'Islam
Avec ce livre de thèses, Monika et Udo Tworuschka, experts fameux en science des religions, opposent les mécanismes croissants de discrimination, d'images hostiles et de théories de conspiration par une orientation appropriée qui est aussi critique à l'égard de l'Islam.
Ils blâment la perception raccourcie de l'Islam", en particulier dans les débats publics sur l'Islam. C’est pourquoi Ils prouvent précisément que l'islam – et donc aussi le Coran – font partie de l'Europe – également à la lumière des trois religions d'Abraham. Il faut déformer les faits pour pouvoir parler d'une l'envahissement par les étrangers musulmans. Il est nécessaire, qu’on réflète les sujets conflictuels dans les idées islamiques sur la démocratie et les droits humains ainsi que sur la liberté. Il s’agit de thèmes, qui sont souvent traités sous les termes de jihad, de guerre sainte, de charia, de violence religieuse, d'oppression des femmes. Il faut qu’on pratique une la "tolérance de l'ambiguïté" dans une Europe qui a toujours été un continent de diversité ethnique, religieuse et culturelle.Cela signifie qu’on traite consciemment l'autre dans son altérité et en même temps préserver les valeurs fondamentales de liberté, d'égalité et de fraternité/sororité.

Resumen español (castellano): Diálogo amistoso,
en vez de confrontación con el Islam
Con este libro de tesis, Monika y Udo Tworuschka, renombrados expertos en ciencias de la religión, confrontan los crecientes mecanismos de discriminación, imágenes hostiles y teorías conspirativas, con una orientación apropiada –que no deja de ser crítica– en el tratamiento del Islam.
Critican la percepción simplista sobre “el Islam", especialmente en los debates públicos sobre el tema. Demuestran concretamente que esta religión universal – y con ella también su Corán – forma parte de Europa, también teniendo en vista las tres religiones que tienen como padre a Abraham. Hace falta distorsionar los hechos para poder hablar de una infiltración islámica. Los temas conflictivos, que a menudo son tratados en términos de djihad, guerra santa, sharia, violencia religiosa, opresión de la mujer... deben ser reflexionados a la vez, tanto en ideas islámicas sobre la democracia y los derechos humanos, como en los conceptos de libertad religiosa y tolerancia. Teniendo a la vista que Europa ha sido siempre un continente de diversidad étnica, religiosa y cultural, debe practicarse una «tolerancia de la ambigüedad», es decir, debemos tratar conscientemente con el otro en su alteridad, y al mismo tiempo preservar los máximos básicos de libertad, equidad y fraternidad/sororidad.

Traducción: José María Vigil CMF, Ciudad de Panamá

Reinhard Kirste

Rz-Tworuschka-Islam-Freund-Feind, 31.08.2019 


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