Mittwoch, 4. Dezember 2019

Friederike und Dietrich Grönemeyer: Die Kraft der Heilkräuter entdecken und nutzen


Friederike Grönemeyer und
Dietrich Grönemeyer:
Selbst heilen mit Kräutern. Pflanzenheilkunde
für zu Hause


Hilden: Becker Joest Volk-Verlag 2019, bereits 2. Auflage, 384 S., 230 Fotos, medizinisches Glossar und Register
--- ISBN 978-3-95453-163-9 ---

Es gibt auf dem Buchmarkt eine unübersehbare Fülle von Titeln über Heilkräuter, die von einem großen Publikum offensichtlich dankbar angenommen wird. Geschrieben sind sie meist von Ärzten, Apotheker/innen, Heilpraktikerinnen, sog. Kräuterfrauen, Mönchen und Nonnen, die sich meist schon lange mit der Bedeutung dieser Pflanzen für Leib und Seele befasst haben. So kommt auch die sog. Klostermedizin ausführlich ins Spiel.
Vgl. die Auswahl bei Amazon: Bücher zu Heilräutern und Arzneipflanzen
Was zeichnet nun ein weiteres Buch zu den Kräutern aus, die der auch regelmäßig aus dem Fernsehen bekannte Medizin-Professor Dietrich Grönemeyer mit seiner Tochter Friederike, einer Heilpraktikerin, Phytotherapeutin und Psychologin, geschrieben hat?

Die Autoren und ihre Intentionen: 
Dietrich Grönemeyer (geb. 1952) war bis zu seiner Emeritierung 2012 Inhaber des Lehrstuhls für Radiologie und des weltweit einzigen Lehrstuhls für Mikrotherapie an der Universität Witten/Herdecke. Seitdem leitet er das Grönemeyer Institut für Mikrotherapie in Bochum.
In welche Richtung seine wissenschaftliche und ganzheitlich-medizinische Forschungs- und Vortragsarbeit geht, zeigt sich darin, dass er seit dem September 2013 als Professor für Gesundheitswirtschaft im Hochschulrat der Steinbeis-Universität Berlin tätig ist und zugleich das Steinbeis-Transfer-Institut Mikrotherapie, Minimalinvasive Therapie und Diagnostik am Standort Bochum leitet. Darin wird ein Engagement sichtbar, Gesundheit und Gesundheitsvorsorge als Teil einer gesellschaftlichen Verantwortung herauszustellen. Grönemeyer steht damit an einer Schnittstelle, an der Erkenntnisse der Schulmedizin, alternative Heilverfahren und die Bedeutung von Arzneimitteln im umfassenden Sinne für den Menschen nutzbar gemacht werden können, indem im Betroffenen Selbstheilungsprozesse initiiert werden. So wird dieses im besten Sinne populär geschriebene Buch zu einem Plädoyer für den Einsatz von Heilpflanzen im Sinne von Vorbeugung, Nachsorge und Therapiebegleitung. In der Arbeit seiner Tochter hat Grönemeyer dabei einen beispielhaften Zugang zum Praxisfeld der pflanzlichen Anwendungen, denn sie nutzt die Pflanzen in der Heilpraktikertätigkeit im Sinne eines ganzheitlichen Verständnisses. Die Autoren sind froh, dass es in den letzten Jahrzehnten zu einem Umdenken in der Medizin gekommen ist. Gegenüber einer sich bisher dogmatisch gebenden Schulmedizin können z.B. Naturheilverfahren wirksam werden. Die Gesundheit als hoher Wert ist zwar nicht mit dem Seelenheil zu verwechseln, aber Heilung für Körper, Seele und Geist sind wesentliche Faktoren für ein erfülltes Menschsein.

Einblicke in die interkulturelle Medizingeschichte
Der Blick in die Medizingeschichte macht Erstaunliches deutlich, nämlich „eine seit der Antike fortwirkende Tradition der Kräuterheilkunde, in der wiederum die großen arabischen Ärzte standen“ (S.12). Über Avicenna (um 980-1037) führt der Weg in das übrige Europa und findet dort durch Hildegard von Bingen (1098–1179) und die sich weiter ausbreitende Kräutergarten-Kultur in den Klöstern eine beachtliche Fortsetzung. Sie geschieht jedoch zugleich unter den Bedingungen wissenschaftlicher Naturbeobachtung und –forschung. Die Abtei Montecassino mit ihrer medizinischen Fakultät wurde zu einem herausragenden Vorbild. Grönemeyer führt diesen geschichtlichen Exkurs über den Schweizer Arzt, Naturphilosophen, Alchemisten, Theologen und Sozialethiker Paracelsus (1493–1541) weiter, betont die Bedeutung des schwedischen Naturforschers Carl von Linné (1707–1778), um dann noch den französischen Arzt Henri Leclerc (1870–1955) zu würdigen, der den Begriff der Phytotherapie (= Pflanzenheilkunde) erfand. 
Die ärztliche Praxis heute kann sich auf diese Vorreiter kritisch prüfend und weiter entwickelnd beziehen und so mit erweitertem und wissenschaftlich geschultem Blick die vielfältige Schatztruhe der Natur sorgsam dem Einzelnen für sein Wohl öffnen. Darum ist es wichtig, Heilkräuter wegen ihrer überzeugenden Wirkung verstärkt im Haus und in der Medizin insgesamt einzusetzen. Im Buch kommen Naturwissenschaft und Erfahrungsgeschichte zusammen: 
„Biochemisch, physikalisch, toxikologisch und experimentell hat die Naturwissenschaft der Medizin zu neuen Naturheilmitteln verholfen. Das jahrtausendealte bislang gewachsene Erfahrungswissen über den therapeutischen Nutzen pflanzlicher Arzneimittel ist das eine – darauf können wir aufbauen. Das andere – die weitere Erschließung ihrer Wirkungsspektren – müssen wir noch leisten“ (S. 26). 
So bildet dieses Buch eine zum Nachdenken herausfordernde Etappe im Horizont eines ständig wachsenden Umsatzes von medizinisch genutzten Kräutern und der nicht mehr überschaubaren Vielfalt von Kräuterinformationen im Internet.

Struktur des Buches
Den beiden Autoren geht es nun darum, in diesem wissenschaftlich begründeten, didaktisch und fundiert gestalteten Buch – einschließlich der Fotos und Randsymbole – die Möglichkeiten der Heilpflanzen zu Hause sinnvoll zu nutzen.. Dazu werden nach der
grundsätzlich angelegten Einleitung die möglichen Darreichungsformen unter dem flotten Titel „Wickel dich gesund“ beschrieben. Dann kommen die Inhaltsstoffe an die Reihe und die Beachtung der jeweiligen Dosierung verbunden mit einigen Rezepten.
Den größten Teil des Buches (S. 93-373) stellt die Präsentation der wichtigsten Heilpflanzen von Aloe bis Zistrose dar. Dem folgt noch eine Übersicht, wie die einzelnen Heilpflanzen angewendet werden, und zwar vom Kopf bis zu Haut und Haaren. Ein klares Stichwort- und Beschwerderegister rundet den Band ab.
Ein Beispiel
Wie die genannten Vorgaben und Voraussetzungen konkret umgesetzt werden, sei an der Heilpflanze des Jahres 2019 – Johanniskraut – verdeutlicht (S. 166–173). Nach einer kurzen grundsätzlichen und geschichtlichen Einleitung wird diese altbekannte  Heilpflanze mit ihren Besonderheiten beschrieben; auch ein Bild ist wie bei allen Pflanzen dabei. Dann werden die „Einsatzgebiete“ (Indikationen) aufgezählt. Johanniskraut hat den Ruf, innerlich gegen depressive und nervöse Verstimmungen zu wirken und äußerlich, besonders bei Verbrennungen und Verletzungen den Muskeln und der Haut gut zu tun. Johanniskraut hat wie die meisten Heilkräuter natürlich Nebenwirkungen, hier ist besonders auf Interaktionen mit anderen Arzneistoffen zu achten. Nach dieser Orientierung – verbunden mit einer vorsichtigen Warnung gerade was das Johanniskraut betrifft – werden die Details der Anwendungen beschrieben – als Tee oder Massageöl. Dann gibt es noch Hinweise auf fertige Präparate, die die Bedeutung dieser Arzneipflanze in der Wissenschaft herausheben. Eine Zusammenfassung bis hin zu den Bezugsquellen reicht vom Garten bis zur Apotheke.
Reinhard Kirste
 Rz-Grönemeyer-Kräuter, 04.12.19
 CC 


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