Freitag, 3. Juli 2020

Christentum in China: Die Nestorianer-Stele von Xi'an und die Jesus-Sutren (aktualisiert)

Abrieb der Nestorianer-Stele in Xi'an (Ausschnitt)
Oberer Teil der Nestorianer-Stele.
Kopie im "Haus der Völker und Kulturen", St. Augustin

Im sog. Stelenwald des Museums der chinesischen Stadt Xian (
Xi'an) - am Beginn der Seidenstraße - befindet sich auch ein Monument, das ein steinernes Zeugnis des frühen Christentums ist. Diese Stele stammt aus dem Jahr 781, als in China die bedeutende Tang-Dynastie regierte. 


Stadtmauer von Xi'an (Wikipedia.en)

Dieses Monument ist die wichtigste Quelle für die Heilige Apostolische und Katholische Assyrische Kirche des Ostens, der nestorianischen Variante des Christentums, die sich bis weit in den Osten Asiens ausdehnte. Die Assyrische Kirche gehörte bis ins Mittelalter zu den bedeutendsten orientalischen Denominationen und überlebte auch die Eroberung durch den Islam. 



Erst die letzten Nahostkriege haben dieses Christentum weitgehend zerstört. Es existieren nur noch kleine Minderheiten im mittelöstlichen Raum und in der westlichen Diaspora. So ist es umso wichtiger, an die Zeugnisse der orientalischen Kirchen zu erinnern. Dazu gehört ohne Zweifel die Stele von Xian, die manchmal auch die Jesus-Stele genannt wird. Der rechteckige Steinmonolith im Museum der Stadt wird von einem Aufsatz gekrönt, in den diese Inschrift eingraviert ist: Daqin-jingjiao-liuxing-zhongguo-bei, d.h. "Steininschrift über die Verbreitung der Strahlenden Lehre aus Daqin in China".
Nun hat der renommierte Buddhismusforscher Mag Deeg (Universität, Cardiff, Wales, Großbritannien) eine moderne Übersetzung dieser Stelle vorgelegt, verbunden mit einem historisch-philologischen Kommentar und einer religionsgschichtlichlichen Einleitung.



Cover mit dem Oberteil der Stele
und dem Kreuz in der Spitze

Max Deeg: Die Strahlende Lehre
Die Stele von Xi'an

Reiheorientalia - patristica - oecumenica
Bd. 12, 2018, 304 S.
 --- ISBN 978-3-643-50844-7 ---



Der vorliegende Band bietet eine moderne deutsche Übersetzung der sogenannten „Nestorianer-Stele“ von Xi’an mit ausführlichem historisch-philologischem Kommentar und einer religionsgeschichtlichen Einleitung. "Die Monographie setzt sich aus drei größeren Kapiteln zusammen: Nach der Einleitung (S. 15-35), die allgemeinere forschungsgeschichtliche Überlegungen enthält, folgt als zweites Kapitel eine historische Einordnung der Stele von Xi'an
(S. 35-56). Das umfangreiche dritte Kapitel ist dem Text der Stele von Xi'an gewidmet ... Max Deeg hat eine beachtliche Monographie zu der Stele von Xi'an vorgelegt."
Rezension von Joachim Jakob (Universität Salzburg),
in der er auch einige kleine Kritikpunkte erwähnt.
(Religionen unterwegs, 26. Jg., Nr. 1/2020, S. 32-35)


Bereits im Jahre 2004 hatte  Xu Longfei (FU Berlin) eine Dissertation
an der Universität Bonn angefertigt : 
Die nestorianische Stele in Xi'an:
Begegnung von Christentum und chinesischer Kultur.

Begegnung/Kontextuell-dialogische Studien zur Theologie der Religionen und Kulturen.
Bonn: Borengässer 2004, 286 S.



Sutra of Hearing the Messiaheines der ältesten
Jingjiao Dokumente,
entstanden zwischen 635 AD und 638 AD
 
aus der  Kyōu Shooku Bibliothek, Osaka, Japan.
Dieses faszinierende steinerne Dokument hat natürlich zu mancherlei Vermutungen im Sinne eines taoistisch geprägten Christentums geführt. Als wichtiges Zeugnis werden die sog. Jesus-Sutren angeführt, die Jingjiao Documents in chinesischer Sprache, entstanden zwischen 635 und 1000. Vergleichbares gilt auch für die buddhistischen, taoistischen und nestorianischen Dunhuang-Dokumente, die bei der Stadt Dunhuang (West-China) in den Mogao-Höhlen, den 1000 Buddha-Grottengefunden wurden.

Vgl. Li Tang: A Study of the History of Nestorian Christianity in China and its Literature in Chinese . Together with a New English Translation of the Dunhuang Nestorian Documents.
European University Studis: Series 27, Asian and African Studies, Vol. 87. Frankfurt/M. u.a.:
Peter Lang 2002 / 2004, 230 pp. 


Der englische Theologe und Sinologe Martin Palmer (geb. 1953) veröffentlichte ein Jahr zuvor (2001) ein Buch zu dieser Thematik, das eine beachtliche Diskussion auslöste:


Jesus Sutras von Martin Palmer


Martin Palmer: Die Jesus Sutras. Die wiedergefundenen Evangelien und Kultstätten des taoistischen Christentums in China.

München: Ansata 2002, 336 S., Abb.
Englisches Original:
 
The Jesus Sutras. Rediscovering the lost religion of Taoist Christianity.
London: Judy Piakus 2001, 271 pp., illustr., index
Der Wissenschaftler machte im Rahmen seiner Forschungen in Zentralchina die erstaunliche Entdeckung einer Pagode in der Nähe eines Klosters, das er in den Zusammenhang mit der nestorianischen Xi'an-Stele brachte. 

Das Kloster Lou Guan Tai gilt in der chinesischen Tradition als der Ort,
an dem der legendäre Laotse (Laozi) das 
Tao Te King (Daudejing) verfasste. 

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Nur knapp 2 km entfernt steht die Daqin Pagode aus dem 7. Jahrhundert. Von dort sind es nur etwa 70 km nach Xi'an.  So könnte die Dagin-Pagode sogar Teil des Kloster Lou Guan Tai gewesen sein. Hier wären dann auch - so Palmer - die Jesus Sutras = Jingjiao Documents entstanden. 
Nun ist unbestritten, dass die Lehre Jesu in ihrer assyrischen Variante im alten China verbreitet wurde und sogar das Wohlwollen der kaiserlichen Tang-Familie genoss. 
Palmer rekonstruierte daraus allerdings ein "taoistisches Christentum"  als Herausforderung und Chance für die spirituelle Erneuerung des heutigen Christentums.
Er übersetzte zum ersten Mal die Jesus Sutras und kommentierte sie als taostische Evangelien.
In der folgenden wissenschaftlichen Diskussion ist dies allerdings bestritten bzw. eingeschränkt worden. Und so bietet die Übersetzung und der Kommentar von Max Deeg eine wichtige Weiterführung in Bezug auf die Zusammenhänge von nestoranischem Christentum und Taoismus im 7./8. Jahrhundert. 


Die Daqin Pagode, Teil einer Klosteranlage, die von einigen
als frühe nestorianische Kirche angesehen wird
 (wikipedia.en: Church of the East in China)

Lizenz: CC



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