Sonntag, 19. November 2023

Daisaku Ikeda und Soka Gakkai: Weltverantwortung, Kunst und Jazz als Weltmusik

  • Herbie Hancock,
  •  

  • Daisaku Ikeda,
  •  
  • Wayne Shorter 

  • Weisen des Lebens. 
    Improvisationen über Jazz, Buddhismus und Glück


      Aus dem Englischen von Judith Elze
      und Kathrin Harlaß


      • Freiburg: Herder 2018, 240 S., Abb.
        --- ISBN 978-3-451-38286-4 ---

      --- English summary at the end of the review
      --- Résumé français au bout du compte rendu

      Daisaku Ikeda (28.01.1928 - 15.11.2023) ist nicht nur in seinem Heimatland Japan ein bekannter Schriftsteller und Vortragsredner. In den USA und Europa wurde sein Auftreten  dadurch intensiv wahrgenommen, dass er seit 1975 als Präsident  der japanisch-buddhistischen Bewegung Sōka Gakkai International (SGI) konsequent für eine Kultur des Friedens arbeitet.  Er tut dies auf der Basisi des Nichiren-Buddhismus. Die dazu organisierten Konferenzen und Diskussionen kreisen darum immer wieder um die Themen Friedenspädagogik, Kulturzusammenhänge und interkulturelle Erziehung und Bildung, besonders für die junge Generation. Aus diesem Grunde traf sich Ikeda auch mit vielen berühmten Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und Religion, z.B. mit Michail Gorbatschow (1990)Nelson Mandela (1990), Ernst Ulrich von Weizsäcker(2011-2014) und Johan Galtung (1995). 
      Um seine vielen Veröffentlichungen in deutscher Sprache bemüht sich der deutsche Zweig von Soka Gakkai (SGI-D) . Der neueste Titel ist wiederum aus Gesprächen entstanden, dieses Mal mit den berühmten US-amerikanischen Jazzmusikern Herbie  Hancock (geb. 1940) und Wayne Shorter (geb. 1933). Sie vermitteln eine tiefe Übereinstimmung im Blick auf die große Bedeutung der Musik als Weltmusik für Versöhnung und Frieden über kulturelle, politische und religiöse Gräben hinweg. Dass alle drei Autoren sich auf den (Nichiren-)Buddhismus als Lebensorientierung berufen, gibt dem Buch insofern eine besondere Zielrichtung, weil als kontinuierliches Element die heilsame Wirkung buddhistischen Lebens angesprochen wird - nämlich das Verletzende und Negative in positive Energie umzuwandeln.  Natürlich findet sich noch genug Zeit, um über die Geschichte des Jazz und seine Bedeutung für die Gegenwart zu sprechen. Die Gesprächssituationen bringen natürlich auch manche Wiederholung. Dadurch kommt jedoch immer wieder das, was die Autoren im Tiefsten bewegt, in unterschiedlichen Aspekten zur Sprache: Der Buddhanatur gemäß zu leben und gesellschaftlich zu wirken. 
      Die hier vorliegenden Aufzeichnungen sind von September 2010 bis Dezember 2011 zuerst als Serie  in der japanischen Soka-Gakkai-Zeitung Shimbun erschienen und dann zusammengefasst in Englisch als Buch veröffentlicht worden. Aktualisierte Ergänzungen sind mit den Autoren abgestimmt worden
      Die 10 Abschnitte des Buches stellen eine Art künstlerischer, spiritueller und verantwortungsbereiter Reise dar, die die drei Autoren auf je ihre eigene Weise wahrnehmen. Thematisch verbinden sie Erfahrungen aus ihrer Lebensgeschichte. Es sind oft prägende Ereignisse in der Begegnung mit anderen Persönlichkeiten. Hinzu kommen grundsätzliche Überlegungen mit bewusster Zukunftsorientierung.
      Für Ikeda ist der Pädagoge 
      Josei Toda (1900 - 1958) sein Mentor und Vorbild.
      1. Jazz, entstanden aus dem Volk: "Jazz ist ein kreativer Prozess, er ist eine dialogische Improvisation, mit der wir die oberflächlichen Zwänge von Dogmen, Dekreten und Mandaten durchbrechen können" (Shorter, S. 15).
      2. Jazz und Bürgerrechte: "Viele Jazzmusiker haben Musik komponiert, die sich auf verschiedenste Weise mit der Bürgerrechtsbewegung befasst. Manche Stücke zeichnen anschaulich die Proteste gegen die Rassendiskriminierungen nach. Andere verkörpern hoffnungsvolle Visionen einer Zukunft ohne Vorurteil" (Hancock, S. 39).
      3. Von innen heraus spielen: "Meine Beziehung zu meinem Saxophon hat etwas Geheimnisvolles. Wenn ich es spiele, verschmelze ich mit ihm. Wir werden eins, wie enge Freunde" (Sorter, S. 67)
      4. Das Unmögliche ist möglich: "Mentor und Schüler befinden sich auf einer gemeinsamen Reise, die niemals endet (Ikeda, S. 89) ... Für uns, die wir unser Leben dem Mystischen Gesetz widmen, ist jeder Tag bis in alle Ewigkeit ein Neubeginn, jeder Tag ist Neujahr" (Ikeda S. 93).
      5. Geduld und Beharrlichkeit: "Junge Menschen so heranzubilden, dass sie uns irgendwann überflügeln, macht uns in der Tat zu Gärtnern. Ein schöner Vergleich" (Ikeda, S. 99). "In der Welt der Musik ist es meiner Meinung nach wichtig, dass dieser Dialog mit dem Unbekannten in aller Einfachheit geführt wird" (Shorter, S. 106).

      6. Entschlossener Dialog: "Wir alle müssen auf unserem Lebensweg zahlreiche Prüfungen bestehen. Der buddhistischen Lehre zufolge ist eines der Acht Leiden der Kummer, uns von denen trennen zu müssen, die wir lieben" (Ikeda, S. 123). "Wir müssen die Menschen inspirieren, über den eigenen Tellerrand hinauszublicken, damit sie begreifen, dass wir einander brauchen und dass keiner von uns wirklich glücklich sein kann, wenn nicht alle Menschen glücklich sind (Hancock, S. 133).

      7. Für immer gute Freunde: "Ich selbst bin zu der Erkenntnis gelangt, dass wir diesen Fehler [sc. Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki 1945] niemals wiederholen dürfen. Dass es unabdingbar ist, eine Welt der Gewaltlosigkeit zu gestalten ... (Hancock, S. 139). "Es ist natürlich schwer, die Mauern des Vorurteils niederzureißen, die jemand gegenüber der Religion aufgebaut hat. Aber wir können sie durchbrechen, wenn wir in allem, was wir tun, authentisch sind"
      (Hancock, S. 135).

      8. Der lange Weg ist der kurze Weg: "Wir müssen endlich anfangen, voneinander zu lernen, Negatives in Positives umzuwandeln und, wie wir es im Buddhismus ausdrücken, Gift in Medizin zu verwandeln" (Shorter, S. 171 - auch in Erinnerung an den 11.09.2001 formuliert).

      9. Afrika auf dem Vormarsch: "Man könnte sagen, dass die afrikanische Musik eine Hymne an das Leben ist, durchströmt von der Freude an der Schöpfung ... Im 21. Jahrhundert wird die ganze Welt von der Seele Afrikas lernen, und die Welt wird durch die Kraft Afrikas verändert werden"
      (Ikeda, S. 190).

      10. Die volle Verantwortung für die Zukunft: "Der Jazz wurde aus dem unbeschreiblichen Leid geboren, das die Afroamerikaner ertragen mussten, und wird heute nicht mehr nur in den USA geschätzt, sondern auf der ganzen Welt. So groß ist die Kraft der Kultur" (Ikeda, S. 203). Eine Flut kreativer Energie muss sich [in der Musik und auch im Jazz] entfalten, mit jeder einzelnen Welle größer und mächtiger werden und sich in alle Bereiche der Gesellschaft ergießen" (Shorter, S. 212).

      Zusammenfassung
      Der Präsident der japanisch-buddhistischen Richtung Soka Gakkai, Daisaku Ikeda (geb. 1928), begegnet in diesen aufgezeichneten Gesprächen den legendären Jazz-Musikern Herbie Hancock und Wayne Shorter. Auch sie gehören Soka Gakkai an und praktizieren den Nichiren-Buddhismus. Diese freundschaftlich-improvisierten Gespräche zielen darauf, die versöhnende Kraft der Musik im Horizont der buddhistischen Lehre, dem Dharma, neu zu durchdenken und von daher Kraft für eine Zukunft des Friedens zu entwickeln. An Beispielen aus ihrem Leben und wichtigen positiven, aber auch negativen Lebenserfahrungen vergegenwärtigen diese Weltmusiker zusammen mit ihrem "spiritus rector" Ikeda in gewisser Weise, was die Königin Shrimala, eine Anhängerin des historischen Buddha, als verbindliche Orientierung für ihr Leben ansah: 
      1. Ermutigung für andere Menschen zu sein - durch Freundlichkeit und Mitgefühl.
      2. Menschen mit dem Not Wendenden -  dem Notwendigen - zu versorgen.
      3. Für andere einzutreten.
      4. Sich mit anderen zusammenzuschließen und mit ihnen gemeinsam Heilsames zu erarbeiten (S. 217).
      Diese Grundhaltung versuchen die Autoren als Musiker und Schriftsteller mit ihren Möglichkeiten zum Ausdruck zu bringen und auf diese Weise die Vision einer friedlichen Zukunft durch Bildung und Dialog ansatzweise Wirklichkeit werden zu lassen.

      English Summary
      The president of the Japanese Buddhist movement Soka Gakkai, Daisaku Ikeda (born 1928), meets the legendary jazz musicians Herbie Hancock and Wayne Shorter. The encounters are recorded conversations. The artists also belong to Soka Gakkai and practice Nichiren Buddhism.
      These friendly-improvised talks intend to rethink the reconciling power of music in the horizon of Buddhist teaching, the Dharma, and therefore to develop the power for a future of peace. These world musicians tell examples of their live with important positive but also negative experiences. They do this together with their "spiritus rector" Ikeda. 
      They present in a certain way what Queen Shrimala, a follower of the historical Buddha, treated as a binding orientation for her life:
      1. Encouraging others - through kindness and compassion.
      2. To provide people with things which turn misery - i.e. the necessary for life.
      3. To stand up for others.
      4. To associate with others and to work together with them to help others (p. 217).

      The authors try to express this attitude as musicians and writers with their possibilities, and in this way they want to realize with first steps the vision of a peaceful future  through education and dialogue.

      Résumé français
      Le président du mouvement bouddhiste japonais Soka Gakkai, Daisaku Ikeda (né en 1928), rencontre les musiciens de jazz légendaires Herbie Hancock et Wayne Shorter. Les textes sont des conversations enregistrées. Les artistes appartiennent aussi à la Soka Gakkai et pratiquent le bouddhisme de Nichiren. Leurs entretiens amicaux et improvisés ont pour but de repenser le pouvoir réconciliant de la musique à l’horizon de l’enseignement bouddhiste, le Dharma, et donc de développer le pouvoir pour un avenir de paix. Utilisant des exemples tirés de leur vie et  avec des importantes expériences positives mais aussi négatives, ces musiciens du monde, ainsi que leur "spiritus rector" Ikeda, ont présente d'une certaine manière ce que la reine Shrimala, adepte du Bouddha historique, considérait comme une orientation impérative de sa vie:
      1. Encourager les autres - par amabilité et compassion.
      2. Fournir aux gens les choses qui sont nécessaires pour la vie -
          c'est à dire de tourner la misère.

      3. Intervenir pour les autres.
      4. S'associer aux autres et travailler avec eux pour aider les autres (p. 217).
      Les auteurs tentent d'exprimer cette attitude comme musiciens et écrivains avec leurs possibilités.  Ils essaient réaliser ainsi avec les pas premiers la vision d'un avenir pacifique par éducation et dialogue.

      London / East Haven, CT:
      Pluto Press 1995, 172 pp., index

      Reinhard Kirste


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