Dienstag, 26. Juli 2022

Die Zukunft der protestantischen religiösen Erziehung im Zeitalter von Globalisierung und Digitalisierung (aktualisiert)


Hyun-Sook Kim / Richard Osmer /
Friedrich Schweitzer:
The Future of Protestant Religious Education in an Age of Globalization

Münster u.a.: Waxmann  2018, 170 pp.
--- ISBN 978-3-8309-3876-7 ---


Verlagsinformation: hier
Besprechung / Review
Allein der erste Abschnitt der Einleitung macht deutlich, dass die drei bekannten Autoren – Theologen und Religionspädagogen, erfahrene Wissenschaftler – mehr erreichen möchten, als nur noch eine weitere Unterrichtseinheit, neben den vielen anderen.
Eine vorbildliche Studie der vergleichenden Religionspädagogik macht ernst mit dem Dialog und Austausch, ja um einen Dialog-Unterricht gemeinsam mit Schülern über alle bisherigen Grenzen hinweg.
 
Es geht um einen Austausch von Erkenntnissen, Erfahrungen, Zukunftsfragen der uns anvertrauten Schüler.
  
„No doubt, we are living in an age of globalisation. Global developments have come to shape our lives, economically, culturally, and even religiously.” (Ohne Zweifel, wir leben in einem Zeitalter der Globalisierung. Globale Entwicklungen prägen unser Leben, ökonomisch, kulturell und religiös.) 
Die derzeitigen Informations- Technologien, das Internet, die digitale Welt, all dies und mehr machen beinahe alles möglich. Was früher von uns weit entfernt war ist heute Teil unseres täglichen Lebens.
 
„Moreover, due to global migration, different cultures and different religions have moved closer together in person as well.” (S. 7)
Durch die Globalisierung ist es auch zu einer größeren Zuwanderung von Flüchtlingen weltweit gekommen und hat uns mit anderen Religionen, Kulturen und Weltanschauungen bekannt macht.
„No doubt, globalisation holds many challenges for education. Young people growing up in a global age have to be prepared for living in this age.….No doubt, globalisation entails clear directives for education – not only in terms of economic and technological demands but also personal orientations…” (Ebd.)
So gibt es keine Zweifel, welche Veränderungen für die Erziehungswissenschaften als Herausforderungen auf uns alle und ganz persönlich einwirken und uns fordern, ja herausfordern in jedem Bereich des Lebens.
Die Studie ist somit in drei Teile gegliedert, angefangen mit der derzeitigen Situation: Welchen Protestantismus meinen wir?  Es wird die bisherige Geschichte der protestantischen Tradition besprochen und wie sich diese in den drei Ländern im Bereich der Erziehungswissenschaften entwickelte. So wird auch nach den pädagogischen Idealen. bzw. Werten gefragt, die besonders die protestantische Tradition prägte und ihr wichtig waren. Obwohl es hier kein besonderes Ideal (als solches) gab, ist es wichtig, zu sehen, dass die „individuelle Verantwortung“ (individual responsibility ) eine zentrale Charakteristik zu sein scheint. So wird deutlich, dass aus protestantischer Perspektive von jeder Person erwartet wird, dass sie eine Fähigkeit und den Willen zum unabhängigen Handeln gibt und dies auf der Basis des eigenen Urteils. Die Pädagogik (Education) ist dem Konzept der christlichen Berufung (Vocatio) verbunden. Diese Berufung ist nicht an bestimmte kirchliche Berufe gebunden, sondern gilt für alle Gläubigen, z.B. „Priestertum der Gläubigen“ (priesthood of all believers). Alle Christen waren und sind berufen, Gott zu dienen und dies nicht nur an Feiertagen, sondern im alltäglichen Leben. So war die Erziehung und Pädagogik besonders daran interessiert, die Menschen auf diese Berufung, bzw. täglichen Aufgaben vorzubereiten.  Damit ist deutlich geworden, dass viele besonders protestantische Ideale (Werte) untrennbar zur christlichen Erziehung und Pädagogik gehören.  Zu diesen gehören  „persönliches Bewusstsein“ (personal conscience),  besondere Verantwortung (ultimate responsibility), die Gleichwertigkeit aller Menschen, Ethik, etc.
Darauf aufbauend werden die Fragen der derzeitigen Situation und den damit verbundenen Herausforderungen für den Protestantismus in den drei Ländern (Deutschland, USA, Korea) untersucht.  Die Digitalisierung unserer Welt schreitet immer weiter voran und betrifft nicht nur generell notwendige Veränderungen unserer globalen Welt, sondern jeden Einzelnen. Die Entwicklungsprobleme, populistische und nationalistische Ströme gefährden nicht nur die sozialen Beziehungen, sondern auch die demokratischen und freiheitlichen Strukturen, die seit dem Zweiten Weltkrieg in vielen Ländern gewachsen sind. Ehemals partnerschaftliche Wirtschaftsmächte stellen nun den Schwerpunkt auf die technischen Entwicklungen und die eigenen Gewinne ihrer Länder in den Vordergrund – Handelskriege mit USA, China und Russland, aber auch zwischen westlichen und befreundeten Nationen. So wird die wirtschaftliche Dimension der Globalisierung und die positiv angelegte Weltwirtschaft die alle Menschen betrifft, zur Gefahr, weil Menschenwürde und Menschenrechte zurück gedrängt werden. Diese negativen Aspekte, die nicht gerade dem Zusammenleben der Menschheit dienlich sind, oder gar dem Welt-Frieden, behindern gewaltig den derzeitigen und notwendigen Dialog und die Diplomatie. Die bisherige internationale Zusammenarbeit bricht vielerorts zusammen, auf Kosten der Schwachen und Ärmsten unserer EINEN Welt. 
Besonders wichtig für die Erziehungswissenschaft und den damit verbundenen Wissenschaften sowie der Religionspädagogik sind die Bereiche des religiösen Pluralismus und der Individualisierung.  So gewinnt auch die politische Diskussion in den Erziehungswissenschaften eine besondere Bedeutung. Sie ist auch im interdisziplinären Dialog eine ständige Herausforderung. Dies hat besonders die Migration weltweit deutlich gemacht.
Hier treffen wir wie auf keinem anderen Gebiet der Pädagogik auch auf Chancen des Für- und Miteinanders der EINEN WELT und der Menschheit als Ganzes. Hier treffen viele unterschiedliche Menschheitsgeschichten und diverse Kulturen – oft vormals unbekannt – aufeinander. Diese Entwicklungen gilt es auch für die Kirchen und für die politisch Verantwortlichen zu achten und zu respektieren.
 Den damit verbundenen Herausforderungen an uns alle gleichermaßen, sind sich die Autoren sehr bewusst. Es ist ihnen zu danken, dass sie sich die Mühe einer gelungenen Analyse gestellt haben.
Eine derartige Aufklärungsarbeit und der kritisch-positive Blick auf unsere „gemeinsame“ Zukunft sind heilsam und können helfen, zum ehrlichen Dialog des Miteinanders zu finden. Die vielen bisherigen Versuche, solch eines globalen Dialogs auf Augenhöhe zu führen, haben sich oftmals religionspädagogische und  pädagogisch-politische Seminare und Akademien zur eigenen Aufgabe gemacht (Nürnberger Forum, Interreligiöse Arbeitsstelle (INTR°A ), EAWRE, z.B. auch: The International Seminar on Religious Education and Values – ISREV mit 303 Mitgliedern aus 35 Ländern). Leider blieben oft aus Kostengründen oder aus organisatorischer Enge einige dieser gut gedachten Vorhaben bestenfalls Versuche. Kollegen aus den armen Ländern oder Gegenden (Asien, Afrika, Süd-Amerika, China, Russland, Ost-Europa) scheiterten an den Reisekosten, den Tagungsgebühren oder was viel schlimmer war an den sog. akademischen Standards der westlichen Organisatoren und an den „vermeintlich überlegenen“ pädagogischen Kollegen, die eine Sicht auf Augenhöhe oder einen echten internationalen Dialog nicht immer ermöglichten. Auf interdisziplinärer, interkultureller, interreligiöser und auf diverser akzeptabler Ebene entstanden Jahresbücher und Zeitschriften, wie z.B.
--- PANORAMA –
     Intercultural Journal of Interdisciplinary Ethical and Religious Studies for Responsible Research
     (mit 350 Pädagogen, Religionspädagogen, Religionswissenschaftlern aus 30 Ländern):
     https://buchvorstellungen.blogspot.com/2013/10/panorama-ein-interkulturelles.html
--- Informationes Theologiae Europae. Internationales Jahrbuch für Theologie:
     
https://www.peterlang.com/view/journals/ite/ite-overview.xml.
Den Kollegen sind in ihrer Studie nicht nur das eigene Engagement und die eigenen Erfahrungen im pädagogischen Sektor der Protestantischen Pädagogik zu gute gekommen. Die Zukunft der Protestantischen Pädagogik liegt nicht nur in der Tradition und Geschichte, nicht nur in der bisherigen Schule, auch nicht im Internet oder gar im digitalen Klassenzimmer, sondern – salopp gesagt –  „auf der Straße“, gemeint ist:
Die Pädagogik muss das alltägliche Leben und damit untrennbar verbundener Themen / Probleme ernst nehmen und aufzeigen, dass das Lernen mit dem Engagement vor Ort und für die Welt aller Menschen verbunden ist. Neues globales Bewusstsein kann entwickelt werden, der Einsatz für alle Menschen kann der eigenen Identität vorzüglich dienen und die globale/lokale Verantwortung muss mehr sein als schöne Worte.
Mit den Worten der Autoren:
  „Protestant religious education for the future must encourage young people to participate in understanding basic knowledge in light of Christian faith and ethics, and encourage them to discern social and economic realities to develop critical consciousness. Moreover. Protestant religious education for the future must provide an open environment in which children and youth develop cultural competences for dealing with differences and learn to promote peaceful coexistence with others. It must assist young people with taking theological responsibility as global citizens for transforming society into a globally responsible environment and for committing themselves to common good.” (S.
143)
So ist hier nicht das Ende der Welt zu proklamieren und zu bejammern, sondern der Neuanfang. “Umweltpolitik und Klimaschutz, über deren Rang und Notwendigkeit mehr Konsens denn je besteht, mangelt es nicht an positiven Zielen. Das zu schützende kollektive Gut ist neben Natur und Schöpfung die ebenso bedrohte Freiheit des Einzelnen und der Republik. Die Energiewende bietet der Bürgergesellschaft Chancen zur Entfaltung, wie es sie seit den Ursprüngen der Moderne und den Gründerjahren der industriellen Revolution nicht mehr gegeben waren.“[1] Es sind durchaus Chancen für die Religionspädagogik und besonders für die Demokratie.  Der Weg zu einer Weltbürgergesellschaft (I. Kant) kann Wirklichkeit werden. „Der Weg dahin ist noch weit, aber die Chancen standen nie besser als jetzt, weil das andere Axiom des realistischen Denkens, dass nur Staaten die relevanten Akteure im internationalen System sind, durch die tendenzielle Transformation in Richtung Gesellschaftswelt in Frage gestellt ist.“[2]
So ist der Protestantismus und dessen Pädagogik und Religionspädagogik auch weiter im öffentlichen Leben von Verantwortung geprägt. Somit ist zu fragen, wie können unsere Kinder und Jugendlichen – ich würde mehr hinzufügen wollen – deren Eltern und alle Erwachsenen – in dieser sich ständig und schnell verändernden Welt  – unsere EINE WELT – befähigt werden, sich dieser Verantwortung zu stellen. Allein die Pädagogik kann es nicht schaffen, ABER seit der jugendlichen Klima-Bewegung ist deutlich geworden, dass wir das Potential der Jugendlichen nicht unterschätzen dürfen:
Lernen geschieht auch auf der Straße und Verantwortung
insbesondere durch Handeln für alle Menschen.
Wenn wir über die Zukunft von Protestantischer Religionspädagogik und Erziehung heute sprechen wollen, müssen wir mehr denn je die Stimmen und die Überzeugungen der Kinder und Jugendlichen ernst nehmen und mit ihnen nicht nur biblisch-religiöse Themen abhandeln, sondern ihre Lebenswelten, ihre Träume und die Ängste vor ihrer Zukunft, ihren Familien und Freunden weltweit. Hier könnten Kinder, junge Menschen und Erwachsene gemeinsam neue Wege gehen, wenn auch erst nur wenige Schritte zu einem Globalen Bewusstsein. Solch ein Unterricht ist in unserer digitalen, internationalen, globalen Welt  – unserer ganz konkreten Realität des Alltags „Global-Aktuell“ - interdisziplinär, interkulturell und interreligiös möglich.
Johannes Lähnemann hat vor einiger Zeit – noch immer hoch aktuell – über Kompetenzen und Standards interreligiösen Lernens gesprochen und deutlich gemacht, wie wichtig diese Aufgaben sind, wenn wir die Religionspädagogik der Zukunft bedenken.  o wichtig Fakten sind, sie werden in differenzierter Form täglich in unseren Medien geliefert, sind in unserer Internet-Zeit allgegenwärtig und verlangen nach kritischer Würdigung und nicht nur nach einem „Gefühl von Toleranz“, obgleich die Emotionen auch im Religionsunterricht der Zukunft nicht zu unterschätzen sind, ja gerade für den moral-ethischen Bereich sogar sehr wichtig sind.
 „Vielmehr gehen Antworten auf die Frage von einem engen Zusammenhang kognitiven,
emotionalen und sozialen Lernen aus.“[3]

Die jüngsten Schülerproteste und Bewegungen zeigen immer wieder die notwendige Kritik an den politischen Verantwortlichen auf, die seit Jahrzehnten und länger, sich eben nicht um den Klimawandel bemüht und gekümmert haben, stattdessen eher die Wirtschaftsinteressen der mächtigen Konzerne bedient haben. Es ist nicht nur unverantwortlich, sondern ein indirektes/direktes Verbrechen, wenn namhafte Politiker den Klimawandel bestreiten.
„Der Klimawandel hat bereits jetzt tiefgreifende Auswirkungen auf die globalen Lebensbedingungen: Anbauzonen verschieben sich, Überlebensräume schwinden. Und es wird vermehrt Wanderungen von Klimaflüchtlingen geben, einer Bevölkerungsgruppe, von der man vor zehn Jahren kaum  eine Ahnung hatte, die es aber schon länger gibt und mit dem Absinken von Inseln und der Bedrohung von Küstenregionen zweifellos größer werden wird … Obwohl es sich beim Klimawandel um ein globales Problem par excellence handelt, wird man in der Klimapolitik kulturell ganz unterschiedliche Wahrnehmungsmuster einkalkulieren müssen, wer erfolgreich handeln möchte …Klimawandel ist ein typisches Phänomen der „Globalisierung“, der Wechselwirkung lokaler Handlungen und Unterlassungen mit globalen Auswirkungen ... Keine Entscheidung bleibt in ihren Folgen auf das Lokale beschränkt, aber umgekehrt gibt es keine transnationale Institution und schon gar keine Weltregierung, die das Problem in globaler Perspektiv angehen könnte.“ [4]  
So klingt es in wenigen Worten zu diesem komplexen global-lokalen Problem in der wissenschaftlichen Abhandlung mit dem vielsagenden Titel „Das Ende der Welt, wie wir sie kannten.“ Mehr als deutlich ist geworden, dass „die Zeit drängt!“ und die Probleme uns alle angehen. Es betrifft uns alle, ohne Ausnahme. Hier werden komplexe Systeme und Herausforderungen deutlich, die entmutigen und zugleich auch fordern, sie ernst zu nehmen.
In seinem Standard Werk „Endstation Globalisierung“ macht William Greider Hoffnung:
„Den unbekannten anderen zu entdecken – die alten Ängste abzulegen und zu akzeptieren, dass die Menschheit inzwischen ein einziges, großes Unternehmen ist – ist vielleicht der härteste Kampf, den das globale System fordert. Aber viele Menschen haben diesen Bewusstseinssprung bereits gemacht … Wenn die Wirtschaft die Welt als ein Ganzes sehen kann, wird die Gesellschaft dies auch können. Wenn soziale Denker und die Bevölkerung als Ganzes lernen, gedankliche Einschränkungen zu überwinden, und ein konkretes Verständnis darüber entwickeln können, was aus der Welt werden soll, dann ist vielleicht eine mächtige neue Ideologie geboren worden. In Ermangelung eines Namens könnte man sie vielleicht als ‚globalen Humanismus‘ bezeichnen.“[5] Greider fährt optimistisch und voller Hoffnung fort: „Wenn dieses neue Bewusstsein an Kraft gewinnt, wird es von einem gemeinsamen Verständnis darüber ausgehen, dass der Markt den Menschen bestimmte Werte nicht geben kann und von ihnen regiert werden muss … Eine neue globale Ideologie fängt mit der Erkenntnis an, dass wir – ob bereit oder nicht – alle in einem Boot sitzen.“  Die Vision und Hoffnung auf neue Wege, ohne Mauern und Barrieren, in eine Welt ohne Grenzen für uns alle.
Über die derzeitigen Schwierigkeiten solche Wege gehen zu können, wird täglich berichtet. Aber auch hier gibt es hoffnungsvolle Reflexionen. Der ehemalige Wirtschafts- und Außenminister Sigmar Gabriel fasste es so zusammen: Auf der Suche nach einer neuen globalen Ordnung beherrschen Unsicherheit und Chaos die internationale Szene, wächst das Risiko innerstaatlicher und zwischenstaatlicher Konflikte, bedrohen terroristische Akteure die rechtsstaatlichen Garantien demokratischer Staaten ... Verschärft wird dieser Prozess durch Gegenbewegungen zu den Trends der Globalisierung und der Demokratisierung, die lange dominierten. Bewährte Prinzipien und Grundlagen der internationalen Beziehungen wie der Multilateralismus, das Völkerrecht und die universale Gültigkeit der Menschenrechte werden infrage gestellt.“[6]
Gerade hier sollten nicht nur die Lehrer und Schüler auf die Straßen gehen:
„Wo habe ich meinen Ort, wo ist mein Weg in der Weltanschaulich-religiösen Pluralität? …Komplementär der individuellen und gruppenmäßigen Prägungen in ihrer Vielfalt kommt es auf die Fähigkeit an, globale Zusammenhänge im Blick zu haben: Das Bewusstsein der Mitverantwortung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung, das im Konziliaren Prozess auf die Tagesordnung der Welt gesetzt wurde, ebenso wie die Weltethos-Erklärung des Parlaments der Weltreligionen …hat eine starke interreligiöse Komponente: sowohl was die Konflikte angeht, an denen die Religionen häufig verstärkend beteiligt sind, als auch hinsichtlich der Motivationskraft für ethisch verantwortliches Handeln, das den Religionen innewohnt…“[7]
Am 24. Mai 2019 gab es einen „Aufruf“ der jungen Klimabewegung an die Welt „Streik!“:
„Heute gehen wir in großer Zahl in 110 Ländern bei mehr als 1350 Veranstaltungen auf die Straße und fordern, dass Regierungen umgehend einen sicheren Weg beschreiten, die Erderwärmung unter 1,5 Grad Celsius zu halten …Wir, Kinder und junge Erwachsene, haben festgestellt, dass wir keine Wahl haben: Jahre sind mit Gerede vergangen, mit unzähligen Verhandlungen, mit nutzlosen Vereinbarungen zum Klimawandel Firmen, die fossile Brennstoffe fördern, durften Jahrzehntelang ungehindert in unseren Böden schürfen und unsere Zukunft abfackeln. Politiker wussten seit Jahrzehnten über den Klimawandel Bescheid. Sie haben ihre Verantwortung für unsere Zukunft bereitwillig Profiteuren überlassen, deren Suche nach schnellem Geld unsere Existenz bedroht.“[8]
Hier werden wir auch daran erinnert, dass schon im Jahr 1986, vor über 20 Jahren, Carl Friedrich von Weizsäcker die Dringlichkeit für notwendiges globales Handeln in seinem Buch „Die Zeit drängt“ auf der Weltversammlung der Christen für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung forderte.[9]
In seinem Studienbuch zum Konziliaren Prozess betont er, dass der Prozess Hoffnung beinhalten kann, wie auch
konkrete Möglichkeiten zum Handeln für unsere EINE WELT und für das Wohlergehen für alle Menschen. Damit wird jegliche egoistische Forderung einer einzelnen Nation als „First“ abgelehnt. Angesagt ist nicht ein Wettrüsten jeglicher Art, weder militärisch, noch wirtschaftlich, auf Kosten der anderen Nationen und Völker. So macht  schon der erste Satz in seiner Einleitung zum Studienbuch die Herausforderung vor dem unsere globale Welt steht deutlich:
 
„Auf der Suche nach einer zukunftsfähigen Ethik ist in den christlichen Kirchen der ‚konziliare Prozess gegenseitiger Verpflichtung auf Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung‘ in Gang gekommen ... Weltweit werden fast eine Milliarde Menschen unterhalb des Existenzminimums gedrückt. Jeden Tag verhungern 55000 Menschen. Mehr als die Hälfte sind Kinder, die an Unterernährung sterben. Verglichen mit den ärmsten 20% verfügt das reichste Fünftel der Weltbevölkerung über das 150fache Einkommen ...“[10]  
Mit dem vielsagenden Titel „Global aber Gerecht“ – Klimawandel bekämpfen, Entwicklung ermöglichen  - forderten im Jahre 2010 Wissenschaftler des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung ein radikales Umdenken, bzw. ein globales Bewusstsein: „Gerechtigkeit und damit die ethischen Aspekte des Klimawandels sind als Thema auf der Agenda der Klimapolitik angekommen. Gerechtigkeit dient als ethischer Maßstab, mit dem Interessenkonflikte im Kontext des Klimawandels beurteilt werden sollen. Anders ausgedrückt: Es wird danach gefragt, wie man den Weg zur Oase am gerechtesten gestalten kann.“[11]
Folgerungen:
Globales Lernen in allen Fächern der Schule sollte als Herausforderung,[12] zeitgleich mit Themen der Gerechtigkeit und der Menschenrechte, Priorität haben.  Hier sind durchaus Chancen, ob in Korea, USA oder Deutschland – allen Ländern – für Protestantische Religionspädagogik. Hier ist die Möglichkeit auf die Straße zu gehen, Lernen für das Leben! Die Protestantische Religionspädagogik hat durchaus mehr als nur Verantwortung zum Lernen, zum Unterrichten, zum Aufklären, zum Engagement in unserer Welt. Schon heute ist das Zeitalter der Globalisierung längst unsere Gegenwart.
Prof. Dr. Dr. h.c. Manfred Kwiran, Wülperode

[1] Claus Leggewie / Harald Welzer, Das Ende der Welt, wie wir sie kannten. Klima, Zukunft und die Chancen der Demokratie, Fischer Verlag, Frankfurt a.M. 2009, 2011, S. 270

[2]Ulrich Menzel, Globalisierung versus Fragmentierung  Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1998, S. 262

[3] Johannes Lähnemann, Lernergebnisse: Kompetenzen und Standards interreligiösen Lernens,in: Schreiner, Peter; Sieg, Ursula; Eisenbast, Volker (Hg.): Handbuch Interreligiöses Lernen. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2005, S. 409ff.

[4] Claus Leggewie / Harald Welzer, Das Ende der Welt, wir wir sie kannten.
Frankfurt a. M. 2011, S. 34-35

[5] William Greider,Endstation Globalisierung. Neue Wege in eine Welt ohne Grenzen. New York 1997;
Heyne Verlag, München 1998, S. 848.
 Details:
 
https://kritisches-netzwerk.de/forum/endstation-globalisierung-der-kapitalismus-fri%C3%9Ft-seine-kinder-william-greider

[6] Sigmar Gabriel, Zeitenwende in der Weltpolitik, Herder, Freiburg / Basel/ Wien 2018, S. 57

[7] Ebd., S. 413

[8] STREIK! Ein Aufruf der jungen Klimabewegung an die Welt,in: Süddeutsche Zeitung . Nr. 120 (Freitag, 24. Mai 2019, S.11, zugleich ZEITENWENDE. Eine notwendige Antwort der Erwachsenen, ebd. S. 11

[9] Siehe besonders: Ulrich Schmitthenner, Der Konziliare Prozess: Gemeinsam für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Ein Kompendium. Meinhardt-Verlag 1998

[10] Ulrich Schmitthenner, Übereinstimmung und Anregung. Studienhaus IIS, Frankfurt 1993,S. 11

[11] Global aber Gerecht.  Ein Report. C.H.Beck, München 2010, S. 56

[12] Welthaus Bielefeld (HRSG), Entwicklung anders lernen. Unterrichtsmaterialien zum Globalen Lernen in der Sekundarstufe. Peter-Hammer Verlag, Wuppertal 2009.

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